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Die Lady mit der Lanze

Die Lady mit der Lanze

Titel: Die Lady mit der Lanze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jocelyn Kelley
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einen allein verwundest, nicht ausreicht.«
    Elspeth hatte widersprochen, bis die Äbtissin sie an ihr Gehorsamsgelübde erinnerte. Die Äbtissin war nicht gewillt, sich umstimmen zu lassen. Elspeth, die genau wusste, wie viel Kraft es kostete, um einen Mann bewusstlos zu schlagen, musste auch gewillt sein zu töten, wenn es um das Leben des Königs ging.
    Nach der Unterredung mit der Äbtissin hatte sich ihr Magen vor Übelkeit zusammengekrampft. Dieses Gefühl meldete sich wieder, als sie die Metallspitzen neben die Stelzen steckte.
    Obwohl sie sich nie wieder so übertölpeln lassen würde wie von dem Vertrauensmann der Königin, wollte sie daran festhalten, sich vor dem Gegner zu verneigen. Es war eine Gewohnheit, vertraut wie ausgetretene Schuhe, selbst wenn ihr Gegner eine Stange war, die Lord de la Rochelles Männern zum Lanzentraining diente. Ein Sack mit zwei aufgemalten Augen war der Schädel. Die Stange war größer als die meisten Männer, eignete sich aber gut als Angriffsziel.
    Leicht tänzelnd ergriff sie den Stock so, dass eine Hand oben war. Das Wichtigste, was sie gelernt hatte, war die Einschätzung des Gegners, das Erkennen seiner Stärken und Ausnutzen der Schwächen.
    Obwohl sie sich albern vorkam, hatte Gewohnheit etwas Tröstliches. Sie verbeugte sich. Die runden Augen auf dem Sack erwiderten starr und blind ihren Blick.
    »Du bist größer als ich«, sagte sie, als sie die Stange umkreiste und dabei laut redete, als würden ihre Schülerinnen zuschauen. »Dein Stock ist viel länger als der meinige, meiner aber kann unter deinen stoßen und ihn aushebeln.«
    Sie schnellte vor und stieß mit einem Stockende auf die Stange.
    »Doch du würdest kontern, ehe ich deine Knie träfe.« Sie drehte den Stock in scharfem Winkel nach oben. »Ich muss verhindern, dass dein Stock mich von oben auf Kopf oder Schultern trifft. Und ich muss flink sein, sonst wird deine größere Reichweite und deine Größe den Kampf zu meinen Ungunsten wenden.«
    Ihre Hände glitten den Stock entlang, dann schwang sie ihn hoch und trat vor. Der Stock traf den ausgestopften Schädel knapp unter dem Kinn. Der Stoff zerriss, Federn quollen hervor.
    Sie wirbelte davon. Den Stock über dem Kopf und wieder tiefer vor sich drehend, hielt sie inne, als sie zwei Männer am kleinen Tor erblickte. Drei andere Männer versuchten, an ihnen vorbeizusehen.
    »Sehr eindrucksvoll«, sagte Lord de la Rochelle, als er und Fürst Tarran auf sie zukamen. »Meint Ihr nicht auch, ap Llyr?«
    Es erstaunte sie nicht, dass der Lord Fürst Tarran nicht mit seinem Adelstitel anredete. Kein Lord der Grenzmark würde diese walisische Tradition anerkennen, da damit das Recht der Normannen, über dieses Gebiet zu herrschen, in Frage gestellt worden wäre. Sie sah die Blicke, die das Gesinde des Lords wechselte. Die Leute waren irritiert von der Art, wie er mit Fürst Tarran redete.
    »Ja, sehr eindrucksvoll«, erwiderte Fürst Tarran. »Gegen eine Stange kämpft sie sehr geschickt.«
    »So wie gegen Euren Mann.«
    »Das war ein Glückstreffer.« Er wandte ihr den Rücken zu und tat sie ab. »Iau zog sich seine Verletzungen zu, als er ihrem wilden Schwung ausweichen wollte und aus dem Sattel fiel.«
    »Sie traf ihn gar nicht?«
    »Nein.«
    Elspeths Nägel gruben sich in den Stock. Fürst Tarran log. Sie verschluckte ihre Erwiderung. Er musste einen Grund haben, dem Lord diese Geschichte aufzutischen. Bislang hatte keiner der beiden etwas getan, das sie an der Ausführung ihrer Aufgabe gehindert hätte. Sie durfte sich daher nicht in Beziehungen oder Konflikte der beiden hineinziehen lassen.
    Lord de la Rochelle ging mit breitem Lächeln an Fürst Tarran vorüber. »Ein einzigartiger Anblick, eine Frau einen Kampfstock mit Geschick handhaben zu sehen.«
    »Ich habe lange trainiert, Mylord«, gab sie kühl zurück. Wenn er noch näher käme … Ihre Finger umklammerten den Stock fester. Sie zwang sich zu einem lockeren Griff. Sie konnte gegen den Lord keinen Schlag führen, wenn sie ihm nicht mehr vorzuwerfen hatte als mangelnde Ritterlichkeit.
    »Sieht so aus.« Er griff nach ihrem Stock. »Vielleicht könnt Ihr mir die letzte Bewegung zeigen.«
    Sie stützte den Stock auf den Boden und verhinderte so, dass er ihn anfasste. Lächelnd konstatierte sie, dass Fürst Tarran sie anblickte, seine Hände hinter dem Rücken verschränkt.
    »Mit meinem Stock könnt Ihr nichts anfangen, Mylord«, sagte sie, »da er für einen Mann Eurer Statur zu kurz ist. Ich bin

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