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Die Lady von Milkweed Manor (German Edition)

Die Lady von Milkweed Manor (German Edition)

Titel: Die Lady von Milkweed Manor (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julie Klassen
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hatte ihm verboten, das bei ihr auszuprobieren. Arroganter Narr …«
    Das Gesicht der Liegenden entspannte sich. Liebliche Züge, die Charlotte vage vertraut vorkamen, wurden sichtbar. Ganz kurz schien das Wiedererkennen in Reichweite zu sein, doch dann verflüchtigte sich der Eindruck wieder.
    »Sie wird nun ein Weilchen schlafen.« Dr. Taylor richtete sich auf und führte Charlotte aus dem Zimmer. Dabei schloss er die Tür hinter sich ab.
    »Sie fragen sich wahrscheinlich, warum ich ihn nicht entlassen habe, angesichts dessen, was er hier angerichtet hat, und der anderen Vorwürfe, von denen Sie mir erzählten.«
    »Ich wollte nicht …«
    »Ich kann ihn nicht entlassen, obwohl ich es eigentlich sollte. Er weiß zu viel. Und das gilt jetzt auch für Sie. Ich nehme an, ich habe nicht das Recht, Sie zu bitten, über das, was Sie heute hier gesehen haben, zu schweigen.«
    »Was … habe ich denn gesehen?«, fragte sie leise.
    Er sah sie an, dann wandte er den Blick ab und seufzte tief auf. »Eine Frau, die an einer Wochenbettpsychose leidet.«
    »Was ist das?«
    »Eine Form der Psychose. Bei ihr fing es kurz nach der Empfängnis an. Üblicherweise entwickelt die Krankheit sich erst nach der Geburt.«
    »Ich habe noch nie davon gehört. Leiden viele Frauen daran?«
    »Es werden immer mehr. Und ich weiß noch nicht, woran es liegt.« Er fuhr sich frustriert mit beiden Händen durchs Haar und schien erst jetzt zu bemerken, dass Charlotte angstvoll die Hand auf die Brust gepresst hatte. »Keine Angst, Charlotte. Ich bin sicher, dass Sie es nicht bekommen. In der Familie meiner Frau gibt es mehrere Fälle von Wahnsinn, wie ich festgestellt habe, aber in Ihrer nicht, daran erinnere ich mich genau.«
    »Aber kann ich ganz sicher sein? Woran merkt man es?«
    »Es gibt viele Anfangssymptome. Die Unfähigkeit, sich auf etwas zu konzentrieren, Gleichgültigkeit der Umgebung gegenüber, Angst, Schwermut, Selbstmordgedanken …«
    »Du lieber Gott!«
    »Ja, du lieber Gott! Man fragt sich, was Gott da oben in seinem Himmel macht, wo ihn hier unten so viele Menschen so dringend bräuchten.«
    Charlotte blieb stehen und sah ihm nach, als er zur Haupttreppe ging. Sie selbst nahm wieder den Dienstbotenaufgang. Sie presste die Hand auf ihr Kreuz, das zu schmerzen begonnen hatte, und schüttelte verstört den Kopf, während sie über all das Erschreckende nachdachte, das sie gesehen hatte. Ihre Erschütterung war so groß, dass ihr erst, als sie wieder in ihrem Zimmer war, klar wurde, dass die Frau mit den aufgelösten Haaren die Braut auf dem Hochzeitsbild war – Dr. Taylors Frau.

    Als Charlotte am nächsten Morgen aufstehen wollte, stöhnte sie unwillkürlich und fuhr mit beiden Händen zu ihrem Rücken. Der Schmerz, den sie gestern Abend zum ersten Mal gespürt hatte, war inzwischen etwa zehnmal so stark. Hatte sie sich womöglich irgendetwas gezerrt, als sie so hastig die Treppe hinaufgelaufen war? Sie wanderte im Zimmer auf und ab in der Hoffnung, ihre Muskeln zu lockern und so den Schmerz zu lindern.
    Doch erneut legte sich ein Gürtel aus krampfartigen Schmerzen um ihren Leib. Charlotte blieb stehen und stützte sich mit beiden Händen auf das Bett. Sie keuchte. Das waren keine simplen Rückenschmerzen. Es war etwas ihr völlig Neues. Etwas Erschreckendes. Als der Krampf nachließ, tappte sie vorsichtig zur Tür und öffnete sie. Sie blickte den Flur hinunter und sah Gibbs, die gerade die Eingangshalle durchquerte.
    »Miss Gibbs«, rief Charlotte.
    »Ja?« Die Frau blieb stehen und kam dann rasch auf sie zu. Nach einem Blick in ihr Gesicht fragte sie: »Die Wehen haben eingesetzt?«
    Charlotte nickte.
    »Gut. Ich hole Dr. Preston.«
    »Ist denn niemand anderer da, der …?«
    Gibbs schüttelte den Kopf: »Ich fürchte nicht. Dr. Taylor ist nach Hause gegangen.«
    Charlotte seufzte und ging in ihr Zimmer zurück. Warum musste ihr Baby auch gerade jetzt kommen, früh am Morgen, sodass nur Dr. Preston hier war, um sie bei der Entbindung zu betreuen? Ihr wurde ganz elend bei dem Gedanken, in einem so verletzlichen Zustand seinem barschen Wesen ausgesetzt zu sein. Ihr wäre Dr. Taylor lieber gewesen, obwohl sie sich schon bei dem bloßen Gedanken gedemütigt fühlte, vor ihm die Gebärposition einzunehmen – auf die Seite gedreht, die Knie angezogen, das Gesicht von ihm abgewandt – so schilderten es jedenfalls Sallys geflüsterte Berichte. Gab es denn keinen anderen, der ihr beistehen konnte? Ein neuer Schmerzanfall. Herr, bitte,

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