Die Lagune Der Flamingos
Nachdem die harten Pampasgräser, an denen sich nur sehr genügsame Rinder hatten gütlich tun können, durch weiche Gräser und Luzerne ersetzt worden waren, hatte sich der Boden schließlich auch leicht für die sehr einträgliche Schafzucht nutzen lassen.
Der Aufstieg der Schafwirtschaft zum ökonomisch dynamischsten Sektor beruhte dabei sowohl auf der starken europäischen und nordamerikanischen Nachfrage als auch auf strukturellen Verbesserungen wie neuen Rassen und kundigen Schafhirten unter den europäischen Einwanderern. Bis 1865 war der Anteil der ausgeführten Wolle am Gesamtexport bereits auf sechsundvierzig Prozent gestiegen. Wer Boden besaß, war auf diese Weise schnell reich geworden.
Auf den großen alten Estancias wurde nun gutes Geld verdient. Argentinisches Pökelfleisch war nicht beliebt, das Rindfleisch galt als zäh und sehnig, also arbeitete man an der Verbesserung der Rinderzucht. In Lebendtransporten sah man die Möglichkeit, ein weiteres Stück des Weltmarktes zu erobern. Britische Investoren, so hieß es, würden bald die erste von vielen weiteren Abpackanlagen in Buenos Aires bauen. Neuankömmlinge aber mussten an immer abgelegeneren Plätzen nach Land suchen.
Eduard hatte jede Veränderung aufmerksam verfolgt, seit er auf La Dulce weilte. Während eine rentable Estancia einstmals vor allem zwei Dinge benötigt hatte: gutes Weideland sowie genügend Wasserreserven, lag der wirtschaftliche Nutzen der Ländereien heute in der Kommerzialisierung der Viehbestände und der sich aus ihnen ergebenden Produkte. Man verkaufte Vieh an andere Estancieros, an die Hersteller von Pökelfleisch, an Zwischenhändler und an die Armee. Man veräußerte Häute, Talg, Schaffelle, Pferdehaare, Fett und Nandufedern und belieferte den Markt von Buenos Aires mit Frischfleisch. Neben der Schafwolle war es vor allem die wachsende wirtschaftliche Bedeutung des Fleischmarktes, die den Wert des Landes erhöhte. Der immer wieder auftretende Mangel an Arbeitern wurde für den einen zum Problem, wie Don Marianos Aufregung zeigte, für den anderen war es eine Chance.
Noch einmal lächelte Eduard Don Mariano zu. »Sprechen wir später in Ruhe darüber, Don Mariano. Ich bin mir sicher, wir werden eine zufriedenstellende Lösung finden.«
Don Mariano schien noch etwas sagen zu wollen, dann nickte er. »Tun wir das, ein Gespräch unter Männern.«
Obwohl es ihm widerstrebte, klopfte Eduard Don Mariano auf die Schulter, dann unterdrückte er einen Seufzer. In den nächsten Tagen würde er Arthur Weißmüller einen Besuch abstatten. Es tat immer gut, mit dem ruhigen, klugen Mann zu reden.
Die Reiterspiele wurden auf einer großen Weide abgehalten. Die sortija , bei der es darum ging, in vollem Galopp mit einer Lanze einen kleineren Ring zu durchstoßen, der von einem Ast herabbaumelte, war eben zu Ende gegangen. Nun begann das pialar. Dabei ritt ein Gaucho durch ein Spalier Lasso schwingender Kameraden, die versuchten, sein Pferd zum Stolpern zu bringen. Geriet es ins Straucheln, musste der Reiter sicher auf den Füßen landen und dabei die Zügel in der Hand behalten.
Männer mit stattlichen Schnurrbärten, wettergegerbten Gesichtern und abgearbeiteten Händen standen hier dicht an dicht. Jede Menge poliertes Metall war zu bewundern, seit Generationen vererbtes Zaumzeug und Steigbügel, silberne Sporen und Beschläge glänzten in der Sonne. Keine Tracht war komplett ohne die bombachas de campo , die Pluderhosen der Gauchos mit ihren unten geknöpften Beinen, die in den Stiefeln getragen werden konnten und die die indianische chiripá , die dreiviertellange Hose, zunehmend ersetzten. Um die Taille trug man die faja , eine solide Wollschärpe, und darüber die rastra , den mit Silbermünzen verzierten breiten Ledergürtel. Ohne das facón , das Allzweckmesser von der Länge eines Unterarms, ging kein Mann vor die Tür. Die Sporen, die ein Gaucho trug, waren ein Statussymbol und oft groß genug, um ihn beim Laufen zu behindern. Hinzu kam die rebenque , eine schwere, mit Metall durchzogene Reitpeitsche.
Eduard sah den ersten Reitern zu, die ihre Aufgabe mit Bravour meisterten. Er stimmte mit den anderen in den anerkennenden Jubel ein, dann setzte er seinen Weg über das weitläufige Estancia-Gelände fort. Ein paar Stallknechte waren um einen Tisch versammelt und spielten truco , ein Kartenspiel, das Täuschung, Witz und geheime Signale beinhaltete. Etwas weiter spielten ein paar Schafhirten taba , ein Wurfspiel . Immer
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