Die Lagune Der Flamingos
noch lag der Duft des auf offenem Feuer gegrillten Rindfleisches in der Luft. Appollonia lachte fröhlich, als sie Eduard herankommen sah.
»Noch etwas caldo? «, bot sie ihm an.
»Gern.« Eduard ließ sich eine Schüssel reichen. »Wunderbar«, lobte er Appollonia schon nach dem ersten Löffel. Er liebte die mit Pfefferschoten gewürzte Rindfleischsuppe, zu deren Zutaten unter anderem zapallo, eine Kürbisart, die häufigste Gemüsesorte der Pampa, gehörte.
Von etwas weiter weg schwebte Gesang zu ihnen herüber. Die Jahre auf La Dulce hatten Eduard gelehrt, dass sich die Lieder der Pampa stets um zwei Themen drehten: um die Liebe und um eine Vergangenheit, der man wehmütig nachtrauerte. Es war eine traurige Musik, mit Melodien, die immer und immer wieder wiederholt wurden und die zärtliche, sanfte und oft auch resignative Gefühle wiedergaben. Nicht wenige Lieder riefen Erinnerungen an die verlorene Freiheit und das Glück vergangener Tage wach.
Einige der Feiernden tanzten. Die Arbeiter versammelten sich nicht nur zu den Festtagen, um den gato , die zamacueca , den triunfo oder die vidalita zu tanzen. Beim gato focht ein Tanzpaar ein Gesangsduell aus.
Süße mit den schwarzen Augen und den roten Lippen , war gerade der männliche Tanzpartner zu hören, deine Eltern werden meine Schwiegereltern sein, deine Brüder meine Schwäger.
Johlendes Gelächter ließ sich aus der Menge hören. Einige Männer klopften sich gegenseitig auf die Schultern. Die hübsche schwarzhaarige Tänzerin machte noch einige geschmeidige Tanzbewegungen, bevor sie den Widerpart gab.
Ich habe keine schwarzen Augen , sang sie, und auch keine roten Lippen. Mein Vater wird nicht dein Schwiegervater sein und meine Brüder nicht deine Schwäger.
Jetzt ging die Runde wieder an den Mann. Aufmerksam verfolgten seine Kumpane, wie er mit der Antwort seiner Herzensdame umging. Der Mann war ein geübter Sänger, und er zögerte keinen Moment.
Da ist ein solches Feuer in deinem Gesicht, Süße, deine Augen sind wie glühende Kohlen. Wenn ich ihnen zu nahe komme, werde ich verbrennen bis auf meine weißen Knochen herunter.
Doch auch das Mädchen tanzte den gato nicht zum ersten Mal. Es war jetzt an ihren Freundinnen, sie anzufeuern. Auch sie erwiderte sehr sicher.
Meine Augen sind nicht so stark, als dass sie dein Fleisch und deine Haut verletzen könnten. Mehr als meine Augen dich verbrennen, verbrennt dich der Alkohol aus der pulpería.
Ihre Freundinnen lachten. Der Mann verbeugte sich spöttisch vor seiner Tanzpartnerin und stapfte stolz zu seinen Kumpanen zurück.
Auch Mina und Annelie sahen den Tanzenden zu. Eduard bemerkte glücklich, dass Mina das Kleid trug, das er für sie in Buenos Aires bestellt und ihr zur Feier des Tages geschenkt hatte. Auch Annelie hatte sein Geschenk angelegt, ein Schultertuch. Eduard schüttelte den Kopf, als er daran dachte, dass Annelie es kaum annehmen wollte, obwohl es in seinen Augen doch nur eine kleine Aufmerksamkeit war. Manchmal wurde er nicht klug aus dieser Frau, so auch jetzt. Steif und wie fehl am Platz stand sie zwischen all den ausgelassen Feiernden. Die Küche, hatte er mittlerweile bemerkt, war der einzige Ort, an dem Annelie entspannt wirkte – allerdings nur, wenn sie sich unbeobachtet wähnte.
Eduard lächelte, als er nun auf sie und Mina zutrat. »Gefällt es euch?«
»Ja«, sagte Annelie.
Wie stets wurde er nicht schlau daraus, wie sie wirklich empfand. Manchmal hatte er den Eindruck, dass sie irgendetwas bedrückte.
»Ja, es ist so ein schönes Fest«, rief Mina und lachte.
Eduard stimmte ein. Zumindest ihr hatte er also eine Freude machen können. Eines Tages, so hoffte er, würde er ein solch unbefangenes Lachen auch von Annelie hören.
Don Mariano hatte sich in den Schatten des großen Hauses von La Dulce zurückgezogen. Wenig später setzte sich Don Clementio zu ihm. Jetzt näherte sich auch noch Don Augusto.
»Hat er mit sich reden lassen?«, fragte der als Erstes, kaum, dass er die beiden anderen Männer erreicht hatte.
»Nein«, Don Mariano schüttelte den Kopf.
»Er hält auch nichts davon, weniger Weiber auf La Dulce zuzulassen«, bemerkte Don Clementio.
»Na, das geht uns nichts an«, erwiderte Don Mariano.
»Weiber haben hier nichts zu suchen«, beharrte Don Clementio. »Sie sind Hindernisse für den ordnungsgemäßen Ablauf der Arbeit auf unseren Estancias. Es sind Männer zu Pferde, die die Arbeit machen, keine Weiber. Frauen sorgen nur für Unordnung und
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