Die Lagune Der Flamingos
schüttelte den Kopf. »Ich habe gute Arbeiter noch nie unter der Saison leiden lassen. Überlegen Sie es sich doch auch einmal, Don Mariano, ich bin mir sicher, auch Ihnen werden Gelegenheiten einfallen, zu denen Sie in der Nebensaison Arbeiter benötigen. Müssen nicht immer Bäume gepflanzt, Bewässerungs- und Entwässerungsanlagen gebaut werden? Es ist unnötig, diese Männer und Frauen nur während des kurzen Frühjahrs anzustellen«, versuchte er weiterzuargumentieren, »behalten Sie ein paar Ihrer Arbeiter vor Ort, und Sie werden niemals wieder Schwierigkeiten haben, gute Männer zu finden, wenn die Zeit gekommen ist.«
Don Mariano lächelte säuerlich. »Ich behalte die Arbeiter, die ich brauche, seien Sie sich darüber nur im Klaren, aber …«, er nahm Eduard fest in den Blick, »… ich brauche nicht so viele, und ihre Weiber brauche ich schon einmal gar nicht.«
Eduard wusste einen Moment lang nicht, was er sagen sollte. Gewiss, aus ökonomischer Sicht galten Frauen als nutzlos, nur zusätzliche Mäuler, die gestopft werden mussten. Um gefürchtete Eifersüchteleien zwischen männlichen Arbeitern zu vermeiden, war es auf manchen Estancias sogar nur den Vormännern und Pächtern erlaubt, ihre Frauen und Kinder bei sich zu haben. Manche Estancieros stellten sogar prinzipiell nur alleinstehende Knechte an, aber Eduard hatte den Gedanken nie ertragen können, Familien auseinanderzureißen. Er holte tief Luft.
»Wissen Sie, Don Mariano, als ich ein junger Mann war …«, setzte er an.
»Das ist gewiss rührend«, unterbrach ihn Don Mariano, »aber das tut hier nichts zur Sache. Sie können nicht einfach herkommen und alles neu machen, Señor Brunner. Auch Sie müssen sich an die Regeln halten.«
Die Regeln – Eduard unterdrückte den Ärger, der unweigerlich in ihm aufkeimte -, es hatte Zeiten gegeben, da er sich an kaum eine Regel gehalten hatte als an die des guten Menschenverstandes.
Wenn Don Mariano davon wüsste …
Aber der reiche Estanciero kannte ihn nur als Verwalter der Estancia La Dulce, nicht als Don Eduardo, der zu seinen Zeiten in Buenos Aires gewiss nicht immer dem Gesetz treu gewesen war. Eduard ließ seinen Blick über die Feiernden wandern. Er hatte damals nur wenige Wochen benötigt, um sich der langsameren Gangart des Landlebens anzupassen. Hier in der Pampa, fern der großen Stadt, bewegte sich das Leben auf seine Weise immer noch mit der Geruhsamkeit der Kolonialzeit. Man arbeitete hart und vertrieb sich die wenige freie Zeit mit der pelea de gallos, dem Hahnenkampf, mit Glücksspielen oder Reiterwettbewerben. Sonntags versammelten sich die armen Knechte in der nächstgelegenen pulpería, um sich zu betrinken. Die Ausnahme bildeten nur wenige Tage im Jahr – der Tag der Unabhängigkeit im Mai, der mit Feuerwerk und frisch getünchten Häusern gefeiert wurde oder eine Hochzeit mit Tanz und gutem Essen und Trinken. Auch eine Totenwache war etwas Besonderes, das Ende der hierra, des Brandmarkens, die esquila oder das Ende der minga, der Erntezeit. All diese Feste boten einen Anreiz, zu tanzen, zu singen und Leckereien zu genießen, derer man sonst nicht habhaft wurde. Eduard zwang ein versöhnliches Lächeln auf seine Lippen.
»Lieber Don Mariano«, sagte er mit, wie er hoffte, leichter Stimme, »ist dieses Fest wirklich der richtige Platz für einen Streit?«
Er wies um sich, die Feier war in vollem Gange. Überall roch es nach Essen. Die Schafscherer sangen, lachten und tanzten. Es war, als schüttelten sie die schwere Arbeit der letzten Wochen mit ihrem Übermut ab.
Don Mariano antwortete nicht sofort. »Wann soll ich es Ihnen denn sonst sagen?«, brummte er dann. »Sie sind ja nie daheim anzutreffen, machen Arbeiten, die Sie auch gut einem Vorarbeiter überlassen könnten.«
Eduard lächelte. Wie so viele reiche Estancieros verbrachte Don Mariano einen guten Teil seiner Zeit im Stadthaus in Buenos Aires und verstand sich eher als Geschäftsmann denn als Landwirt.
Sie alle haben vergessen, wie leicht man ihnen selbst den Anfang in diesem Land gemacht hat, fuhr es Eduard durch den Kopf.
Noch vor dem Krieg mit Paraguay hatten die besten Weidestrecken in der Pampa, entlang der Ufer des La Plata und des Paraná, wo die Verbindung mit dem Meer wohlfeil war, nur dreitausend Dollar die spanische Quadratmeile gekostet. Die ersten Ackerbauern hatten das Land damit fast umsonst erhalten. Niemand hatte die ungeheuren Preissteigerungen vorausgesehen, die mittlerweile eingetreten waren.
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