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Die Lagune Der Flamingos

Die Lagune Der Flamingos

Titel: Die Lagune Der Flamingos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofia Caspari
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ihm mit einem Mal eine Frage auf den Lippen, die er schon seit dem Vortag hatte stellen wollen.
    »Mina?«
    »Ja?«
    Sie drehte sich zu ihm hin, und wieder war da dieser Ausdruck auf ihrem Gesicht, den er sich nicht erklären konnte. Er bemühte sich, die wirren Gedanken, die ihm dabei kamen, wieder abzuschütteln.
    »Ist es deiner Mutter eigentlich immer schon schwergefallen zu feiern?«
    Die junge Frau runzelte die Stirn. »Wie meinst du das?«
    Eduard räusperte sich. »Nun, ich hatte den Eindruck, das gestrige Fest gefiel ihr nicht.«
    Dabei, fügte er in Gedanken hinzu, habe ich doch versucht, wirklich alles zu tun, um es ihr angenehm zu machen. Er wartete auf Minas Antwort. Es schien ihm, als denke die junge Frau wirklich über das nach, was er beobachtet hatte.
    Nach einer Weile zuckte sie die Achseln. »Ich weiß nicht. Es war nicht immer leicht für uns, Eduard.« Sie trat jetzt zögerlich einen Schritt näher. »Die ersten Jahre in Argentinien waren sehr schwer. Ich glaube, Mama hat etwas anderes erwartet. Sie ist einfach noch nicht über diese Zeit hinweg.«
    Eduard nickte.
    »Ich weiß, wie schwer das alles sein kann«, sagte er langsam. »Ich habe es selbst erlebt, aber irgendwann … irgendwann wird es besser. Das verspreche ich dir, dir und deiner Mutter, Mina.«
    Sie hatten so wenig auf ihre Umgebung geachtet, dass sie der Sonnenaufgang jetzt beinahe überraschte. Die Sonnenstrahlen tupften die Lagune und ihre Umgebung in ein Farbenspiel aus Rosa, Lila und Blautönen. Vom Ufer stakste ein Flamingo tiefer ins Wasser hinein. Das frühe Tageslicht traf sein Gefieder und ließ es orangegolden aufleuchten. Eduard wurde warm ums Herz.
    »Alles wird gut werden, Mina. Vertrau darauf.«

Viertes Kapitel
    Eduard Brunner hatte Arthur tatsächlich das versprochene Land überlassen, und der junge Wolgadeutsche hatte vom ersten Augenblick an sehr hart und beinahe ohne Pause gearbeitet. Es tat ihm gut, wenn er sich bis zur vollkommenen Erschöpfung verausgabte. Dann musste er nicht an Olga denken. Dann quälte er sich nicht mit Vorstellungen davon, was mit ihr geschehen sein mochte, ob sie tot war oder immer noch lebendig …
    Einmal auf seinem Land angekommen, hatte Arthur als Erstes einen Brunnen gegraben. Nachdem er den Brunnen fertiggestellt hatte, hatte er zwei Hütten gebaut – eine diente zum Wohnen und Schlafen, die andere beherbergte die Küche. Der Boden bestand aus gestampfter Erde, die jeweils vier Eckpfosten aus Hartholz. Zwischen die Eckpfosten hatte er anfänglich nur Häute gespannt, die er von Eduard Brunner erhalten hatte, um sich vor Wind und Wetter zu schützen. Später hatte er ein Gitter aus Reisig und Stroh zwischen die Pfosten geflochten. Das Ganze war mit einem Gemisch aus Erde, Wasser und getrocknetem Tierdung verputzt worden. Manchmal wurden zum Erstellen der Wände anstelle des so seltenen Holzes auch Tierknochen benutzt. Knochen konnten ebenso die Wände eines Brunnens verstärken wie zu Möbelstücken verarbeitet werden. Die Dächer seiner Hütten hatte Arthur, wie es in der Gegend üblich war, mit paja , einem rauen Gras gedeckt.
    Für die Menschen der Pampa mochte eine solche Hütte nur ein einfacher, vorübergehender Schutz vor den Elementen sein, die man schnell errichtete und ebenso schnell wieder verfallen ließ. Arthur jedoch hatte tiefen Stolz empfunden, als er erstmals in seinem Heim geschlafen hatte. Wie die meisten Wohnstätten waren auch seine Hütten so ausgerichtet, dass ein gewisser Schutz gegen die eisigen Winterwinde aus dem südlichen Patagonien geboten war. Zuweilen gab es einen Ombú, auch Elefantenbaum genannt, der die Gebäude vor Sonne und Wind schützte.
    Allen Schutzmaßnahmen zum Trotz blieben die einfachen Hütten im Winter jedoch eisig kalt und düster, während sie sich im Sommer gnadenlos aufheizten. Gewöhnlich lebte die Familie in einem Raum zusammengedrängt. Möbel oder andere Annehmlichkeiten gab es keine. Die Hütte war zudem ein Hort von Ungeziefer. Insbesondere in heißen Nächten flohen die Bewohner vor dieser Plage häufig nach draußen, unter den freien Himmel, denn im Sommer wurde man Flöhen, Käfern, Kakerlaken, Ratten und anderem Getier kaum Herr.
    Große Häuser konnten sich nur wohlhabende Estancieros leisten. Nicht immer, so befand Arthur, passten sie in diese Gegend, denn oftmals wurde nach dem europäischen Stil gebaut, der jeweils gerade im angesehenen Barrio Norte, dem Distrikt von Buenos Aires, in dem sich die Elite bis auf die

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