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Die Lagune Der Flamingos

Die Lagune Der Flamingos

Titel: Die Lagune Der Flamingos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofia Caspari
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reckte sich, um ihm einen weiteren kurzen Kuss von den Lippen zu stehlen. Dann hörte er sie leise und sehr mädchenhaft kichern.
    Um sie herum war es jetzt lauter geworden, sodass sie wieder auf ihre Umgebung achteten. Ein paar Schritte hinter ihnen brach plötzlich Unruhe aus. Wenig später stand Eugen Miller an Arthurs Seite. Sie hatten ihn auf der Reise kennengelernt und festgestellt, dass sie einander möglicherweise schon in der alten Heimat begegnet waren. Eugen stammte aus einem nicht weit entfernt liegenden Dorf. Allerdings waren er und seine Eltern schon vor Jahren nach Brasilien gegangen. Auf Brautschau hatte er noch einmal die alte Heimat besucht und kehrte nun guter Dinge mit seiner Frau Clemencia zurück.
    »Und«, fragte Arthur, »wie fühlt es sich an, endlich wieder daheim zu sein?«
    Eugen schüttelte den Kopf. »Dauert wohl noch ein bisschen. Das ist Montevideo, aber gewiss nicht Brasilien.«
    »Wer sagt das?«
    »Ich sage es, und Herr Däning hat’s mir im Verschwiegenen bestätigt. Das ist Montevideo. In Rio de Janeiro, heißt es, kann derzeit wegen einer Gelbfieberepidemie kein Schiff anlegen.«
    Unwillkürlich drückte Arthur die Hand seiner jungen Frau. Das ist hoffentlich keine schlechte Nachricht, schoss es ihm durch den Kopf, während er sich bemühte, sich die Karte der La-Plata-Mündung in den Kopf zu rufen. Erstmals nach nunmehr achtundzwanzigtägiger Fahrt über den Atlantik, stellte er in jedem Fall fest, während er hinunter aufs Wasser starrte, war das Wasser braun verfärbt. Auch der Geruch hatte sich verändert. Arthur hob den Kopf und schnupperte. Ja, der heiße Wind trug den Geruch von Sumpfwald übers Deck.
    »Bist du dir sicher?«, wandte er sich noch einmal an Eugen.
    Aber Eugen hatte diese Reise ja nicht zum ersten Mal gemacht, er kannte die La-Plata-Mündung. Bestimmt war er sich sicher. Er zuckte die Achseln.
    »Nun«, sagte er dann, »wir werden sehen, wo wir dieses Mal landen. Rio de Janeiro wird es sicherlich nicht sein, ob dort nun eine Gelbfieberepidemie ausgebrochen ist oder nicht, denn das dort drüben, ich sagte es ja schon, ist eben nicht Brasilien.« Er machte eine kurze Pause, während der er Arthur nachdenklich musterte, dann klopfte er dem anderen auf die Schulter. »Ach, mit so etwas muss man immer rechnen. Die Konkurrenz zwischen den beiden Reedereien Norddeutscher Lloyd Bremen und Hamburg-Amerika-Linie ist hart. Man versucht ständig, sich gegenseitig Passagiere abzuluchsen, und Auswandererkontingente, die eine besonders hohe Belegung garantieren, erhalten sogar Rabatt. Wer weiß, welche Abmachung eure Agenten mit unserem Schiffskapitän getroffen haben. Es heißt, sie bekommen Pro-Kopf-Provisionen, und der Kapitän«, Eugen lachte meckernd, »wollte vielleicht ohnehin nicht nach Brasilien.«
    In Arthur, den, von der langen Reise erschöpft, erst ein Gefühl der Resignation überkommen hatte, regte sich Widerstand. Er sah Olga, die mit großen Augen zwischen den beiden Männern hin- und herblickte, beruhigend an.
    »Aber ich habe doch einen Schiffsakkord für Brasilien gekauft!«, begehrte er auf.
    Eugen zuckte die Achseln. »Lieber Gott, wen kümmert das? Sei froh, wenn dir nichts Schlimmeres widerfährt, als am falschen Ort einzutreffen. Dann macht ihr euch eben von dort aus auf den Weg. Ich habe von Auswanderern gehört, die haben Land von der Karte weggekauft und landeten im Sumpf. Persönlich kenne ich sogar jemanden, der erwarb einen ganzen Wald mit kostbaren Edelhölzern, die nur über den Fluss abzutransportieren waren, doch das verdammte Holz wollte nicht schwimmen. Stellt euch das vor, Holz, das nicht schwimmt.« Er schüttelte den Kopf. »Und wenn ihr nicht in Uruguay bleiben wollt … von Argentinien heißt es immerhin, dass sich das Land zum Getreideanbau lohnt.«
    »Argentinien?«
    »Argentinien, genau.« Eugen lachte. »Denn wenn in Montevideo der Lotse an Bord geht, und danach sieht es mir gerade aus«, er grinste und deutete auf ein kleineres Boot, das mit ihrem gleichauf lag, »dann wird uns unser Weg ganz sicher nach Argentinien führen.«
    Arthur wollte etwas erwidern, verstummte dann jedoch ob der Neuigkeiten. Er bemerkte, dass Olga zu zittern begann, und nahm ihre Hand.
    Argentinien, wiederholte er in seinem Kopf, Argentinien.
    Er hatte ganze Bücher über Brasilien gelesen und Reiseberichte verschlungen. Er hatte genaue Pläne gemacht für ihr neues Leben. Zuerst würden sie Arbeit suchen, dann Geld sparen und Land kaufen. Er war auf

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