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Die Lagune Der Flamingos

Die Lagune Der Flamingos

Titel: Die Lagune Der Flamingos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sofia Caspari
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wurde sie sogar wieder ein wenig zu einem Kind. Jahre, die sie besser noch nicht gelebt haben sollte, fielen von ihr ab. Sie war so jung, so unschuldig. Sie vertraute ihm, und er wollte ihr Vertrauen nicht missbrauchen, obwohl ihn seine Gefühle manchmal verwirrten.
    Er zügelte sein Pferd, sprang ab und verbeugte sich vor ihr.
    »Señor Jensen!«
    Blancas Stimme klang in seinen Ohren so, als freue sie sich, ihn zu sehen.
    »Gehen wir bald einmal wieder spazieren?«
    »Gern.« Er lächelte sie an, wurde dann aber wieder ernst.
    Sie erinnert dich doch an jemanden, sagte nicht zum ersten Mal eine leise, bohrende Stimme in seinem Kopf. Damals, auf der Kosmos, da hatte es jemanden gegeben … Verdammt, er konnte die Erinnerung einfach nicht fassen.
    Der Ruck, den er sich innerlich gab, ließ ihn schaudern.
    Fragend blickte Blanca ihn an. »Stimmt etwas nicht, Señor?«
    »Nein, nein.« Jensen schüttelte den Kopf. Sein Brauner schnaubte und suchte energisch, den Kopf in Richtung Boden zu bringen, um nach Fressbarem zu suchen. »Es ist alles in Ordnung.« Er nickte zu ihrem Korb hin. »Darf ich Ihnen die Einkäufe nach Hause tragen, Blanca?«
    »Aber ja.«
    Sie ging leichtfüßig neben ihm her. Eine Weile schwiegen sie, während Jensen fieberhaft nach einem Gesprächsthema suchte. Jetzt räusperte sie sich.
    »Ich bin übrigens auch eine Deutsche, Señor«, schnitt sie ein Thema an, über das sie noch niemals zuvor gesprochen hatten.
    Bin ich denn noch Deutscher?, überlegte Jensen, schließlich habe ich meine Heimat verlassen und würde um nichts in dieses Land der gemauerten Regeln und des Buckelns zurückkehren.
    »Wirklich?«, gab er zurück und wandte ihr den Kopf zu.
    Blanca nickte. »Ja, Señor. Mein Vater hieß Gustavo Brunner. Er ist tot, aber er hat eine Schwester, Ana. Eines Tages, hat meine Mutter gesagt, soll ich zu ihr gehen. Sie wohnt in Buenos Aires und führt dort ein Unternehmen.«
    Anna, dachte Jensen bei sich, das war es … Auf der Kosmos damals war eine gereist, die war es, an die er sich zu erinnern versucht hatte. Weil Blanca ihr irgendwie ähnlich sah. Aber konnte das sein? Nun, seine Erinnerung war einfach nicht stark genug. In jedem Fall war diese Anna im Zwischendeck gereist. Auf ihren Nachnamen konnte er sich allerdings nicht besinnen, er wusste nur, dass es gewiss nicht Brunner gewesen war.
    »Tatsächlich?«, antwortete er. »Das ist eine gute Idee.«
    Blanca lächelte, offenkundig zufrieden mit seiner Antwort. An ihrer kleinen Hütte angekommen, nahm sie den Korb wieder entgegen.
    »Am nächsten Sonntag, Señor?«, fragte sie. »Würden Sie dann wieder mit mir spazieren gehen?«
    »Natürlich, nichts lieber als das.«
    Sie nickte ihm zu, drehte sich um und ging ins Haus.
    Einen Moment noch stand er da und starrte auf die Tür. Wieder überkam ihn dieses seltsame Gefühl. Er wollte sie beschützen, sie retten. Es war unglaublich, aber der egoistische Kerl, der er in jungen Jahren gewesen war, stieß ihm heute einfach nur bitter auf.

Drittes Kapitel
    Das Geschrei, das von oben bis hinunter ins Zwischendeck gedrungen war, trieb Arthur und Olga Weißmüller an Deck. Seit Wochen hatte es immer wieder mal »Land in Sicht« geheißen, doch jedes Mal hatte sich der Ruf als Fehlalarm herausgestellt. Mal war es eine Insel gewesen, mal die Küstenlinien eines anderen Landes.
    Immer wieder hatten Olga und Arthur überlegt, ob es die richtige Entscheidung gewesen war, so weit nach Süden zu ziehen. Schließlich wusste sie kaum etwas von diesem Brasilien, das ihnen Heimat werden sollte. Wilde und lebensgefährliche Tiere gab es dort, Moskitos, Schlangen, winzige, bunte Frösche gar, die den Tod durch Gift bringen konnten und »wilde Indianer«. Mehr als einmal hatten sie sich an Schulmeister Däning gewandt, in dessen Schutz sie sich auf die Reise begeben hatten. Däning war es auch, dessen Rufe sie dieses Mal an Deck brachten. Tatsächlich war steuerbord eine Stadt aufgetaucht, die Arthur nach der langen Reise traumhaft schön vorkam.
    Brasilien, dachte er und drückte Olga enger an sich, das ist die Küste Brasiliens. Und das muss Rio de Janeiro sein, wir sind endlich, endlich da.
    Er spürte, wie sich seine Frau an ihn schmiegte. Sie kannten sich, seit sie Kinder waren. Als er dreizehn und sie zwölf Jahre alt gewesen waren, hatten sie einander die Ehe versprochen. Das war jetzt zehn Jahre her. Arthur drehte Olga zu sich hin und küsste sie auf die Stirn. Sie stellte sich auf die Zehenspitzen und

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