Die Lagune des Löwen: Historischer Roman: Historischer Liebesroman
gleich die ganze Kiste an sich bringen könnte.
»Wie viel könnt Ihr davon beschaffen?«, wollte Querini wissen.
»So viel Ihr wollt. Ganze Schiffsladungen voll.«
Antonio entspannte sich. Wenn es in solchen Mengen zur Verfügung stand, konnte es unmöglich so wertvoll sein, wie er gedacht hatte.
Der Zehnerrat wirkte verblüfft. »Ihr meint – den ganzen Bedarf der Serenissima?«
»Und noch mehr. Die ungarischen Alaunschieferbrüche sind sehr ergiebig. Außerdem sind sie nicht die einzigen Vorkommen außerhalb Italiens. Die Zeiten des päpstlichen Monopols sind in ein paar Jahren sowieso vorbei.«
»Und die Medici sind eines ihrer einträglichsten Geschäfte los«, sagte Querini. Er schüttelte den Kopf. »Sie werden nicht damit einverstanden sein. Und Papst Alexander auch nicht. Die Einfuhr fremden Alauns ist mit dem Kirchenbann bedroht.«
»Nur die Einfuhr unchristlichen Alauns«, berichtigte Mosè in vergnügtem Tonfall. »Die Ungarn sind keine Türken.«
»Aber Ihr würdet es einführen. Ihr seid Jude, kein Christ.«
»Ich habe einen deutschen Handelspartner, es würde regulär über den Fondaco dei Tedeschi hereinkommen.«
»Also ein Strohmann, der es hierher nach Venedig in die deutsche Handelsniederlassung bringt«, meinte Querini nachdenklich.
»Wenn Ihr so wollt.«
»Und Alexander? Ich kann mir nicht vorstellen, dass Seine Heiligkeit den Verlust des Alaunmonopols hinnimmt. Er bekommt immerhin von den Medici jedes Jahr Hunderttausende dafür.«
»So viel kann er künftig nicht mehr erwarten. Aber es gibt eine Reihe gut zahlender Interessenten für große Pfründen, die wir vermitteln werden. Die Kurie wird nicht verhungern.«
»Messèr Mosè, Ihr seid ein alter Fuchs. Ihr habt Eure Finger überall.«
Die gutmütigen Züge des Kaufmanns zeigten mit einem Mal eine Spur von Härte. »Ich verfolge ein Ziel, und dafür sind alle Mittel recht.«
»Richtig, Ihr wollt wieder in die Stadt. Womit wir also beim eigentlichen Thema wären: eine neue Condótta .«
»Zum Wohle Venedigs.«
»Wohl eher zum Wohle der Juden.«
»Sagen wir doch – zum beiderseitigen Wohl. Die Stadt braucht Geld für den Krieg gegen die Türken, und sie braucht viel davon. Und wir Juden haben Geld.«
»Der Teufel soll Euch holen, aber das ist leider wahr. Im Kreditwesen reicht keiner euch Juden das Wasser.« Querini lehnte sich leicht gegen den Tisch, die Arme immer noch vor der Brust verschränkt. »Ihr habt Familie hier, nicht wahr?«, fragte er unvermittelt. »Euer Junge und Eure Frau – sie sind nach der letzten Ausweisung hiergeblieben und haben sich taufen lassen.«
Antonio sah, wie Mosès Miene sich verschloss. »Es geht hier um mehr als um eine Familie. Das Schicksal von vielen hundert Familien steht auf dem Spiel.«
»Ach, Ihr tut gerade so, als sei es in Mestre so übel.«
»Mestre ist nicht Venedig.«
Querini lachte, was ihn unerwartet sympathisch aussehen ließ. »Da muss ich Euch recht geben, Messèr Mosè. Die Serenissima ist einzigartig und unvergleichlich, und sie ist es wert, dass man darum kämpft, hier zu leben. Alles was recht ist – Ihr seid ein guter Unterhändler für Euer Volk.«
»Ich hoffe, Ihr seid im Großen Rat nicht weniger fähig, wenn es um das Aushandeln der Condótta geht.«
»Ich bin sicher nicht ohne Einfluss.« Querini hob die Schultern. »Allerdings muss Euch klar sein, dass Ihr für das Auftun einer neuen Alaunquelle keine zwanzigjährige Condótta erwarten könnt.« Querini warf Antonio einen bohrenden Blick zu. »Haltet Ihr es für angebracht, dass Euer Träger die ganze Unterhaltung mit anhört?«
»Oh, Anzio. Der ist schwachsinnig, das sagte ich Euch doch schon.«
»Er stinkt nach faulem Fisch, aber davon abgesehen wirkt er auf mich ganz normal.«
»Er hat seine aufgeweckten Momente, aber die sind selten. Als Kind fiel er in einen Zuber mit Gerberlauge und wäre fast ertrunken. Seitdem ist er wirr im Kopf.«
Antonio strengte sich an, möglichst einfältig dreinzuschauen, und atmete geräuschlos aus, als der Zehnerrat sich wieder dem Kaufmann zuwandte. »Zehn Jahre. Mehr kann ich nicht erreichen. Ich habe schon Gespräche mit allen wichtigen Leuten aus dem Consiglio geführt. Für Euch mag es ein Kompromiss sein, doch zaubern kann ich nicht.«
Mosè schien widersprechen zu wollen, doch dann nickte er. »Dann dürfen aber alle kommen«, sagte er. »Ohne Ausnahme.«
»Das wird sich regeln lassen.«
»Ohne örtliche Niederlassungsbeschränkung. Wir müssen uns
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