Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Landkarte der Finsternis

Die Landkarte der Finsternis

Titel: Die Landkarte der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yasmina Khadra
Vom Netzwerk:
zurück«, erkläre ich.
    Â»Sie werden noch heute Abend in Khartum erwartet, Herr Doktor Krausmann.«
    Â»Völlig ausgeschlossen«, antworte ich, jede Silbe einzeln betonend. »Mein bester Freund ist hier irgendwo in der Gegend, ich werde ihn nicht einfach seinem Schicksal überlassen.«
    Â»Die Nachforschungen gehen ihren Gang.«
    Â»Na gut, dann warte ich hier eben so lange, bis sie beendet sind.«
    Â»Ihre Anwesenheit hier im Lager bringt uns nichts. Lassen Sie uns nach Khartum zurückkehren und Bilanz ziehen.«
    Â»Vergessen Sie es. Ich werde dieses Camp so lange nicht verlassen, bis ich weiß, was aus meinem Freund geworden ist.«
    Der Konsulatsleiter bittet mich um ein Gespräch unter vier Augen. Die anderen verlassen das Büro. Der französische Botschaftsvertreter nutzt die Gelegenheit, ein paar Worte mit Bruno zu wechseln.
    Die Verlegenheit des deutschen Beamten ist mir unangenehm. Er geht nervös auf und ab, baut sich vor dem Fenster auf, um seine Gedanken zu ordnen, dann dreht er sich zu mir um und beschwört mich, ihn unbedingt nach Khartum zu begleiten. Seine Argumente können mich nicht umstimmen. Als er nicht mehr weiterweiß, zieht er sein Handy hervor und ruft als letzten Ausweg den Botschafter an. Als der am Apparat ist, hält er mir das Telefon hin, doch ich wehre energisch ab.
    Â»Sie können nicht hierbleiben, Herr Doktor«, erklärt mir der Konsulatsleiter, nachdem er sich bei seinem Botschafter für die Störung entschuldigt hat.
    Â»Um warum nicht, wenn ich fragen darf? Gibt es da etwas, wovon ich nichts weiß?«
    Â»Wir haben nicht den geringsten Anhaltspunkt, dass Herr Mackenroth noch am Leben ist«, schleudert er mir brutal ins Gesicht.
    Mein Herz macht einen Satz. Meine Stirn und mein Rücken sind mit einem Mal schweißüberströmt.
    Â»Könnten Sie bitte etwas deutlicher werden?«
    Der Konsulatsleiter holt einen der sudanesischen Offiziere herein und bittet ihn, mir die Situation zu erklären. Der Militär, ein Oberst mit silbrigen Schläfen, führt aus, dass nach den ihm vorliegenden Informationen der Tod Hans Mackenroths ziemlich wahrscheinlich ist. Er berichtet mir, dass ein einsamer Hirte eines Nachts, das mag jetzt vier Wochen her sein, mehrere bewaffnete Männer auf der Flucht beherbergt hat. Einige von ihnen waren verwundet, darunter ein Europäer, dessen Beschreibung auf Hans zutrifft. Er sei in einem kritischen Zustand gewesen.
    Â»Nichts beweist, dass er es war. Geiseln mit Vollbart sind Legion. Ich selbst hatte einen ordentlichen Bart, als ich hier im Camp eintraf. Wir kamen ja nicht gerade aus einer Wellness-Oase, Herr Oberst.«
    Â»Wenn die Bewaffneten über ihren Gefangenen sprachen, war wohl immer von einem Deutschen die Rede, Herr Doktor Krausmann«, ergänzt der Konsulatsleiter. »Und es gibt derzeit keine weiteren Deutschen, die hier in der Region als vermisst gemeldet sind.«
    Â»Hans wurde beim Überfall auf die Yacht am Rücken verletzt, ein Säbelhieb. Der war aber schon vor seiner Verlegung so gut wie verheilt.«
    Â»Von einem Säbelhieb war nie die Rede«, stellt der Oberst klar. »Die Geisel war an Kopf und Brustkorb verwundet und soll viel Blut verloren haben. Der Hirte war sich hundertprozentig sicher, dass es sich um Schussverletzungen handelte.«
    Ich spüre, wie über mir die Decke einstürzt. Ich zittere am ganzen Leib, muss mich wahnsinnig zusammenreißen, um meinen Atem unter Kontrolle zu halten. Mich überkommt ein Gefühl von Schwerelosigkeit, ich kann mich kaum noch aufrecht halten. Der Oberst will mir die Hand auf die Schulter legen, ich zucke heftig zurück. Ich hasse es, dass mich jemand anfasst, wenn die Dinge mir entgleiten.
    Â»Nein«, stammele ich nach langem Schweigen, »da liegt sicher ein Irrtum vor. Hans wurde an eine Bande von Kriminellen verkauft. Wenn bis heute keine Lösegeldforderung vorliegt, dann einfach deshalb, weil mein Freund versteigert wird. Sein letzter Käufer wird sicher bald von sich hören lassen. Dieser Hirte redet Unsinn. Oder er macht gemeinsame Sache mit den Entführern. Er hat gelogen, um Sie auf die falsche Fährte zu locken, damit seine Komplizen Zeit gewinnen. Er will Ihre Nachforschungen sabotieren.«
    Â»Aber, Herr Doktor …«
    Â»Ich verbitte mir Ihre Manipulationsversuche, Herr Oberst. Ich weigere mich, Ihnen zuzuhören! Und ich weigere mich, mit

Weitere Kostenlose Bücher