Die Landkarte der Liebe
ins Licht.
Als sich ihre Augen an die Helligkeit gewöhnt hatten, war Mick bereits in der Küche, auf dem Weg zur Tür. Mia folgte ihm. Dann würden sie eben beim nächsten Mal in Ruhe reden. Vielleicht war es richtig, das Wiedersehen locker anzugehen und die groÃen Themen noch ein wenig zurückzuhalten.
An der Tür sagte Mick: »Danke für deinen Besuch.«
Sie nickte. »Ich bleib vierzehn Tage hier.«
»Dann genieà die Insel.«
Das klang nicht nach einem nächsten Treffen. Aber so hatte er das sicher nicht gemeint. »Ich hätte morgen Zeit.«
Mick wich ihrem Blick aus. »Morgen geht es nicht. Mein Anwalt ist den ganzen Tag lang hier.«
Mia wartete auf einen anderen Vorschlag, doch Mick sagte nichts. Es klickte. Ein automatischer Lufterfrischer wurde ausÂgelöst. Tannenduft zog durch die Eingangshalle, Mia hatte den künstlichen Geschmack im Mund. »Ãbermorgen?«
Mick rieb sich mit der Hand über den Nacken, nach und nach verlor er seine Fassung. Er wippte vor und zurück und schaute an die Decke. »Ich kann das nicht, Mia.«
»Was kannst du nicht?« Ihre Finger spielten an den HosenÂtaschen herum.
»Dich wiedersehen. So sein, wie du mich haben willst. Das wäre uns beiden gegenüber nicht fair.« Er schüttelte heftig den Kopf. »Es gibt vieles, was du nicht verstehst.«
»Erklärâs mir doch!« Ihre Stimme wurde schrill.
»Das ist alles so lange her. Lassen wir es ruhen.« Er legte eine Hand auf den Türgriff. »Tut mir leid, aber ich muss jetzt los.«
Mia sah ihn an. Sie konnte es nicht fassen. So schnell waren sie an diesen Punkt gekommen? Sie fühlte sich benommen, seltsam körperlos, als ob sie unter der Last der Enttäuschung zerdrückt würde.
»Es tut mir leid, dass das hier deinen Hoffnungen nicht entsprochen hat«, sagte er voller Mitgefühl und öffnete die Tür.
Bestürzt trat Mia in die Nacht, als ihr Vater die Tür sanft hinter ihr schloss. Sie schüttelte den Kopf. Was war das gewesen? Wo waren die Ãhnlichkeiten zwischen ihnen, die sie zu fühlen geÂÂglaubt hatte? Auf ihren Wangen brannte die Erniedrigung: Sie war bis nach Maui geflogen, hatte ihren Vater aufgesucht, mit ihm getrunken und geredet, und er hatte die ganze Zeit nur auf die Gelegenheit gewartet, sie wieder loszuwerden.
Wäre Katie doch bei ihr gewesen. Sie hätte sich diesen Rauswurf nicht gefallen lassen. Katie hätte ihn ordentlich in die Mangel genommen, ihm und seinen Ausflüchten eloquent Paroli geboten. Die Vorstellung gab ihr wieder Auftrieb, sie erwog sogar, umzukehren. Aber tief in ihrem Herzen wusste sie, dass sie nicht den Mut dazu hatte.
SchlieÃlich gelangte sie wieder an den Strand, an dem sie den einsamen Surfer beobachtet hatte. Die Luft roch scharf und bitter. Mia sah die fernen Wellenberge, die der Mond in Silber goss.
Sie warf ihre Tasche in den Sand, zog die Flip-Flops aus und tauchte ihre FüÃe ins Wasser. Das Meer war machtvoll und lebendig, umspülte kühl Mias Knöchel und wusch den Sand unter ihren Zehen weg. Sie atmete tief ein und lauschte nur noch auf das Rauschen der Wellen. Allmählich verblasste die Erinnerung an Mick wie Worte im feuchten Sand, über die das Meer flieÃt.
Sie watete tiefer hinein, eine kleine Welle schwappte bis über ihre Oberschenkel und durchnässte den Saum ihrer Shorts. Eine zweite Welle rollte heran, doch Mia wich nicht zurück. Das kühle Wasser drang durch Shorts und Unterwäsche. Es versetzte ihr einen gewissen Kick, so allein am Rand des Ozeans zu stehen. Der Mond lockte sie vorwärts. Das Wasser stand ihr bis zur Taille.
Dann ging sie in die Knie und stieà sich ab. Sie schwamm mit groÃen, kühnen Zügen, ihr T-Shirt klebte an ihrer Haut.
Die See war ihr Balsam. Mia tauchte, dunkle Wellen spülten über sie hinweg. Sie glitt mit ausgestreckten Armen durch das Meer, kam kurz an die Oberfläche, um Luft zu holen, dann tauchte sie wieder, tiefer diesmal. Wasser strömte in den Ausschnitt ihres T-Shirts.
Sie hörte auf zu strampeln und spreizte Arme und Beine wie ein Seestern. Langsam schwebte sie nach oben. Als Kinder hatten sie das oft getan, das Haar um den Kopf treiben lassen und auf den Gesang der Meerjungfrauen gelauscht. Es sprudelte und klickte. Mia stellte sich vor, dass unter ihr stumme, neugierige Kaiserfische schwammen. Ihre Lungen brannten, sie
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