Die Landkarte der Liebe
war das?«
»Weihnachten.«
Er zog die Augenbrauen hoch. »Kurz nach meinem Antrag.«
»Tatsächlich?« Sie konnte nur hoffen, dass sie unbefangen klang.
Die restliche Fahrt verlief schweigend.
Ed parkte das Auto vor einer groÃen Villa mit einer imposanten grünen Tür und einem bronzenen Türklopfer. Hier erwarteten sie sicher keine Schlafsäle und auch kein Gitarrenspiel bei Nacht. »Ich check schnell ein und bring die Taschen nach oben. Warum gehst du nicht ein bisschen spazieren, damit du einen freien Kopf bekommst?«
»Ich will eigentlich dringend unter die Dusche. Mich abkühlen.«
»Ach komm, so ein kleiner Spaziergang wird dir guttun. Bei der Gelegenheit könntest du auch gleich nach einem netten Restaurant für heute Abend Ausschau halten.«
»Na schön«, sagte sie und löste den Sicherheitsgurt.
»Wenn es dir die Sache leichter macht, können wir den Eintrag ja hinterher zusammen lesen.«
Katie lächelte. Sollte sie etwa zugeben, dass es bei dem Streit um Ed gegangen war?
Katie bummelte durch Margaret River und blickte in die Schaufenster der Kleinstadt. Der Asphalt und die metallischen KarosÂserien parkender Autos strahlten eine unglaubliche Hitze aus, Schweià kitzelte in Katies Kniekehlen.
SchlieÃlich kam sie an einer Galerie mit einer eleganten blauen Fassade vorbei. In den Fenstern hingen Gemälde von weiÃen Segelbooten. Katie blieb stehen und bewunderte, wie gut der Künstler die Segel, so voll und stolz im Wind, und das schimmernde Abendlicht auf dem Wasser eingefangen hatte.
Eine Klingel kündete von ihrem Eintreten, ein rothaariger Mann sah von einem Buch auf. Er lächelte, grüÃte freundlich und las weiter.
Die weiÃen Wände waren von Gemälden bedeckt. Katie stellte sich vor das Bild, das unter der Klimaanlage hing, und genoss die kühle Luft in ihrem Nacken. Auf der Leinwand sah man eine angedeutete Hand, wohl die einer älteren Frau, den dünnen ÂFalten, die sich über die Knöchel zogen, und den Rillen in den kurzen Nägeln nach zu urteilen. Die Hand hielt einen billigen Plastikkugelschreiber, dessen Ende abgekaut war und der so gar nicht zu der vornehmen Haltung passte, mit der die Hand den Stift über ein edles Papier führte. Das meiste war unleserlich, doch einige wenige Worte sprangen deutlich ins Auge: als wir jung waren.
Mia war eine groÃe Briefeschreiberin gewesen, das hatte Katie ganz vergessen. Während ihrer Zeit an der Universität hatte Katie viele wunderbare Briefe von ihr erhalten. Von Angesicht zu Angesicht hatten sie oft nur gestritten, und auch ihre Telefonate hatten häufig im Streit geendet, doch in ihren Briefen herrschte eine seltene Harmonie. Mia schrieb sehr unterhaltsam über viele Themen, und Katie las ihre Ausführungen begierig und mit groÃem Genuss. Sie schrieb regelmäÃig zurück, vertraute Mia an, in welche Männer sie insgeheim verliebt war, und erzählte ihr, in welchen Clubs sie gewesen war. Sie schilderte ihr Studentenleben in allen Farben, weil sie sich wünschte, dass ihre Schwester sie bewunderte. Doch wenn sie sich trafen, selbst wenn der Besuch auf einen liebevollen Brief folgte, verfielen sie gleich wieder in alte Muster und bekamen nach nur wenigen Stunden Streit.
Katie ging weiter, von einem Bild zum nächsten, und bewunderte die Vielfalt der Motive. In einer Ecke standen drei Regale mit Künstlerbedarf, und auf einmal hielt Katie eine Tube Acrylfarbe in der Hand. Sie spürte den Drang, mit dem Pinsel tief in die Farbe einzutauchen und eine leere Leinwand zu bemalen. In der Schule hatte sie im Kunstunterricht begeistert mitgemacht. Damals hatte sie auf einem Blatt Papier in einer Weise mutig sein können, die ihr ansonsten unerreichbar schien. Sie liebte den stillen Kunstsaal mit seinen kantigen Pulten und dem beiÃenden Geruch von Terpentin! Mia hatte getobt, als Katie das Fach abwählte. Aber sie hatte geglaubt, mit Kunst als Abschlussfach würde sie vor der Zulassungskommission der Universität schlechter dastehen als mit Geschichte. Sie hatte ihre Bilder und ihr Talent eingerollt und seither nicht mehr daran gedacht.
Sie nahm eine silberne Dose mit einem Satz von zwölf Acrylfarben vom Regal, einen Block und zwei Pinsel und ging damit zum Empfang. Der Galeriemitarbeiter legte sein Buch aufgeschlagen zur Seite und kassierte. Katie klemmte sich ihre Utensilien verstohlen
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