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Die Landkarte der Zeit

Titel: Die Landkarte der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Félix J. Palma
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könnten den Krieg der Zukunft verhindern, wenn wir es wirklich wollten. Wobei
     ich mir natürlich vorstellen kann, Mr.   Ferguson, dass Ihre Spielzeugfabrik enorme Verluste hinnehmen müsste, wenn Sie keine mechanischen Artefakte mehr herstellen
     könnten.»
    Ferguson war nicht vorbereitet auf den Hieb, mit dem dieser unverschämte junge Mann ihm nicht nur die Verantwortung für etwas
     gab, das noch gar nicht passiert war, sondern ihm auch noch zeigte, dass er genau wusste, wer er war. Er starrte ihn offenen
     Mundes an, mehr verblüfft als verärgert über die amüsierte Leutseligkeit, mit der Charles seine vergifteten Bemerkungen vorgebracht
     hatte. Claire gefiel die scheinbare Lässigkeit, mit der dieser Winslow seine Ausführungen verbrämt hatte, was ihn nicht nur
     gegen wütende Erwiderungen schützte, sondern seine Vorwürfe auch als spontan formulierte Gedanken erscheinen ließ, die er
     offenbar selbst nicht ganz ernst nahm. Ferguson schnappte immer noch nach Luft, die Umstehenden waren ebenfalls sprachlos,
     Charles zeigte ein abwesendes Lächeln. Plötzlich schien Fergusons Aufmerksamkeit von einem jungen Mann in Anspruch genommen,
     der ziellos durch die Menge schlenderte, was ihm ein perfekter Vorwand zu sein schien, der Gruppe den Rücken zu kehren und
     sich besagtem Herrn zuzuwenden, wodurch ihm die |291| Antwort an Winslow erspart blieb, der seinerseits nicht den Eindruck machte, mit einer solchen überhaupt gerechnet zu haben.
     Gleich darauf kehrte Ferguson mit dem etwas hilflos wirkenden jungen Mann zurück, den er mit einem Schubs in die Runde beförderte
     und als Colin Garrett, den neuen Inspektor von Scotland Yard, vorstellte.
    Ferguson verfolgte die Begrüßung des Neuankömmlings mit wohlgefälligem Lächeln, als führe er Freunden die neueste Erwerbung
     für seine Sammlung exotischer Schmetterlinge vor. Kaum war das Willkommen verklungen, wandte er sich an den jungen Inspektor,
     als wolle er die Gruppe seinen Disput mit Charles Winslow möglichst schnell vergessen machen.
    «Ich wundere mich, Sie hier anzutreffen, Mr.   Garrett. Ich wusste gar nicht, dass ein Inspektor so gut bezahlt wird.»
    «Mein Vater hat mir mit ein paar Ersparnissen ausgeholfen», stammelte der Angesprochene in dem unnötigen Versuch, sich zu
     rechtfertigen.
    «Ah, einen Moment lang dachte ich schon, Sie reisten auf Staatskosten, um ein bisschen Ordnung in die Zukunft zu bringen.
     Immerhin wird dieser Krieg, auch wenn er erst im Jahr 2000 stattfindet, unser schönes London zerstören. Und Ihre Aufgabe ist
     es doch, die Stadt zu beschützen. Oder hebt die Zeit Ihre Verantwortung auf? Sind Sie nur für das London der Gegenwart zuständig?
     Interessante Frage, finden Sie nicht, meine Verehrten?», sagte Ferguson, sichtlich stolz auf seinen Einfall. «Der Zuständigkeitsbereich
     des Inspektors bezieht sich auf den Raum, aber nicht auf die Zeit. Sagen Sie, Inspektor, wären Sie autorisiert, einen Verbrecher
     in der Zukunft zu verhaften, wenn er seine Tat im Londoner Stadtgebiet begangen hätte?»
    |292| Der junge Garrett nickte verwirrt und wusste nicht, was er sagen sollte. Hätte er Zeit gehabt, in Ruhe darüber nachzudenken,
     wäre ihm vielleicht eine befriedigende Antwort eingefallen. Im Moment jedoch fand er sich unter einer Lawine von Schönheit
     begraben, wenn Sie mir diesen pompösen Ausdruck gestatten, denn die junge Dame, die ihm als Lucy Nelson vorgestellt worden
     war, hatte ihn in beträchtliche Verwirrung gestürzt, sodass er sich auf nichts anderes mehr konzentrieren konnte.
    «Na, Inspektor?», hakte Ferguson ungeduldig nach.
    Garrett bemühte sich ohne Erfolg, die Augen von dem Mädchen loszureißen, das ihm ebenso wunderschön wie unerreichbar vorkam.
     Er war weder reich noch gewandt im Umgang mit Frauen, außerdem mit einer unüberwindlichen Schüchternheit geschlagen, die es
     ihm unmöglich machte, jedwedes galante Unternehmen in einen sicheren Hafen zu führen. Natürlich wusste er nicht, dass er sich
     drei Wochen später auf ihr liegend wiederfinden würde, seinen Mund nur auf Kussweite von ihrem entfernt.
    «Ich habe eine bessere Frage, Mr.   Ferguson», kam Charles dem jungen Mann zu Hilfe. «Wenn ein Krimineller aus der Zukunft in unsere Zeit reiste und hier ein
     Verbrechen beginge, wären Sie dann berechtigt, einen Mann festzunehmen, der, streng chronologisch gesehen, noch gar nicht
     geboren wäre?»
    Ferguson machte sich nicht die Mühe, seinen Ärger über Charles’

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