Die Landkarte der Zeit
wieder ein, woher er den Namen kannte.
«Nun, dann muss es sich wohl um etwas sehr Wichtiges handeln», sagte er, sich ein mysteriöses Lächeln abringend. «Verlieren
wir also keine Zeit und sehen, was der Gentleman begehrt.»
Belustigt den Kopf schüttelnd, begab er sich ins Wohnzimmer. Der ärmlich gekleidete junge Mann stand am Kamin, hatte sich
nicht getraut, in einem der Sessel Platz |436| zu nehmen. Wells musterte ihn von oben bis unten. Ein Prachtexemplar von Mensch stand da vor ihm, ausgestattet mit einer eindrucksvollen
Muskulatur und dem Gesicht eines Draufgängers, in dessen Augen die Wildheit eines in die Enge getriebenen Panthers glomm.
«Ich bin George Wells», stellte er sich vor, nachdem er sich diesen ersten Eindruck verschafft hatte. «Womit kann ich Ihnen
dienen?»
«Guten Morgen, Mr. Wells», begrüßte ihn der Mann aus der Zukunft. «Verzeihen Sie, dass ich zu so früher Stunde in Ihr Haus eindringe, aber es
geht um Leben oder Tod.»
Wells nickte lächelnd ob dieser einstudierten Vorstellung.
«Ich bin Hauptmann Derek Shackleton und komme aus der Zukunft. Aus dem Jahr 2000, um genau zu sein.»
Nach diesen Worten schaute ihm der junge Mann offen ins Gesicht, gespannt auf seine Reaktion.
«Sagt Ihnen mein Name etwas?», fragte er, als er sah, dass der Schriftsteller sich nicht übermäßig erstaunt zeigte.
«Selbstverständlich, Hauptmann», antwortete Wells mit verhaltenem Lächeln und wühlte in einem Papierkorb, der neben einem
mit Büchern überladenen Regal stand. Dann zog er ein zerknülltes Papier heraus, strich es glatt und reichte es seinem Besucher,
der es vorsichtig entgegennahm. «Wie sollte es das nicht? So ein Flugblatt bekomme ich jede Woche. Sie sind der Retter der
Menschheit, der Mann, der im Jahr 2000 unseren Planeten vom Joch der grausamen Maschinenmenschen befreit.»
«Genau», bestätigte der junge Mann ein wenig argwöhnisch |437| wegen des ironischen Untertons in der Stimme des Schriftstellers.
Eine etwas angespannte Stille entstand, in der Wells, mit den Händen in den Hosentaschen, seinen Besucher spöttisch musterte.
«Ich nehme an, Sie fragen sich, wie ich in Ihre Zeit gekommen bin», sagte der junge Mann schließlich, wie ein Schauspieler,
der sich selbst das Stichwort geben muss, um in seinem Text fortfahren zu können.
«Jetzt, wo Sie es sagen, ja», erwiderte Wells, ohne zu versuchen, auch nur das geringste Interesse an dem Fall zu bekunden.
«Gut, ich will es Ihnen erklären», sagte der junge Mann, bemüht, die offenkundige Gleichgültigkeit seines Gegenübers zu ignorieren.
«Kurz nach Ausbruch des Krieges erfanden unsere Wissenschaftler eine Maschine, die Zeitlöcher öffnen konnte. Der Zweck war,
einen Tunnel vom Jahr 2000 bis in Ihre Zeit zu errichten, durch den man jemanden schicken konnte, der den Hersteller mechanischer
Spielzeuge eliminierte, um so den Krieg zu verhindern, bevor er noch ausbrechen konnte. Nun, ich bin dieser Jemand.»
Wells schaute ihn wohl eine Minute lang mit ernster Miene an. Dann brach er in ein Gelächter aus, das den Besucher vollends
verunsicherte.
«Sie haben wirklich eine ausufernde Phantasie, mein junger Freund», sagte der Schriftsteller anerkennend.
«Sie glauben mir nicht?», fragte der andere, obwohl sein niedergeschlagener Ton es eher wie eine bittere Feststellung klingen
ließ.
«Selbstverständlich nicht», rief Wells aufgeräumt. «Aber |438| keine Angst, es liegt nicht daran, dass Sie Ihre erfindungsreiche Geschichte nicht glaubwürdig genug vorgetragen hätten.»
«Aber, was …», stammelte der junge Mann verwirrt.
«Ganz einfach, ich glaube nicht, dass man ins Jahr 2000 reisen kann, und schon gar nicht, dass sich die Menschen dann in einem
Krieg mit Robotern befinden. Das Ganze ist ein lächerliches Lügenmärchen, mit dem Gilliam Murray zwar ganz England für dumm
verkaufen kann, aber nicht mich», betonte Wells.
«Dann … Sie wissen, dass das alles Betrug ist?», murmelte der junge Mann ungläubig.
Wells nickte und warf einen Blick zu Jane, die sich ebenso überrascht zeigte.
«Und werden Sie ihn verraten?»
Der Schriftsteller ließ einen tiefen Seufzer hören, als hätte ihn diese Frage schon viel zu lange gequält.
«Nein. Ich habe nicht die geringste Absicht», antwortete er dann. «Wenn die Leute viel Geld dafür bezahlen, Sie ein paar Blechmänner
bezwingen zu sehen, haben sie es vielleicht verdient, betrogen zu werden. Außerdem: Wer bin ich,
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