Die Landkarte der Zeit
beschloss, den Rest der Nacht hinter einigen Sträuchern versteckt zu verbringen.
Wenn es hell geworden wäre, würde er sich noch einmal vergewissern, dass der Mörder wirklich verschwunden war, und dann den
Schriftsteller um Hilfe bitten, so wie er es geplant hatte.
|433| XXIX
«Du hast allein durch die Kraft deiner Phantasie das Leben eines Mannes gerettet», hatte Jane nur wenige Stunden zuvor zu
ihm gesagt, und diese Worte hallten immer noch in seinem Kopf, als Wells durch das Dachfensterchen das erste Licht des Tages
heraufziehen sah, das die Möbel auf dem Dachboden langsam aus den Schatten schälte und auch die griechische Skulptur, die
ihre umschlungenen Körper im Sessel der Zeitmaschine bildeten. Als er zu seiner Frau gesagt hatte, man könne den Sessel vielleicht
noch nutzen, hatte er nicht an diese Art und Weise gedacht, doch war es ihm unangebracht erschienen, auf das Missverständnis
hinzuweisen; jetzt natürlich schon gar nicht. Liebevoll ruhte sein Blick auf Jane. Ruhig atmend schlief sie in seinen Armen,
nachdem sie sich ihm mit der ein wenig barbarisch anmutenden Begeisterung der ersten Monate hingegeben hatte, deren allmähliches
Erlöschen er mit der ergebenen Wehmut dessen verfolgt hatte, der zur Genüge weiß, dass die Leidenschaft der Sinne nicht ewig
dauert, sich höchstens noch auf andere Körper richtet. Doch nirgends stand geschrieben, dass durch irgendeinen unerwarteten
Windhauch die Glut nicht wieder angefacht werden konnte, und diese Entdeckung hatte ein dankbares Lächeln auf die Lippen des
Schriftstellers gezaubert. Und zu danken war |434| das alles diesem einen Satz, der seitdem in seinem Kopf herumging: Du hast allein durch die Kraft deiner Phantasie das Leben
eines Mannes gerettet. Ein Satz, der ihn vor Jane in neuem Glanz erstrahlen ließ und den Sie, wie ich hoffe, auch nicht vergessen
haben werden, dient er doch als Brücke zwischen dieser Szene und Wells’ erstem Auftritt in unserer Geschichte, der auch nicht
der letzte sein soll.
Als seine Frau hinunterging, um das Frühstück zu bereiten, blieb der Autor noch ein Weilchen in der Zeitmaschine sitzen. Er
atmete tief und regelmäßig und war erstaunlich zufrieden mit sich. Es gab Momente im Leben, da schätzte sich Wells als hochgradig
lächerlich ein, doch zurzeit schien er eine Phase durchzumachen, in der er sich selbst etwas nachsichtiger beurteilen, ja,
sogar mit Bewunderung an sich denken konnte. Ein Leben zu retten hatte ihm Spaß gemacht, sowohl wegen Janes Belohnung als
auch wegen des außergewöhnlichen Geschenks, das er dafür bekommen hatte: diese seiner Phantasie entsprungene Maschine, die
wie ein hochgerüsteter Pferdeschlitten aussah und mit der man durch die Zeit reisen konnte, wie sie das zumindest Andrew Harrington
weisgemacht hatten. Sie im heraufziehenden Tageslicht betrachtend, hätte er nie geglaubt, dass aus einer Apparatur, die er
in seinem Buch mit ein paar wenigen Strichen entworfen hatte, ein so prachtvolles Gefährt werden konnte. Mit dem Gefühl, einen
Kinderstreich zu begehen, richtete er sich feierlich im Sessel auf und legte mit einem wehmütigen Lächeln auf den Lippen die
Hand übertrieben bedeutsam auf den rechts von den Armaturen angebrachten Kristallgriff. Wenn dieser Kasten |435| doch funktionierte; wenn man nur von einer Epoche zur anderen reisen, sich willkürlich durch die Zeit bewegen, sogar ihre
Grenzen erreichen könnte, falls es sie gab; dahin gelangen könnte, wo alles entstand und alles erstarb! Aber dafür taugte
diese Maschine nicht. Eigentlich taugte sie zu nichts. Nachdem er den Mechanismus ausgebaut hatte, der das Magnesiumpulver
entzündete, konnte man nicht einmal mehr den Fahrer blenden.
«Bertie?», rief Jane von unten.
Wells sprang auf, als schäme er sich, beim Spielen mit der Maschine ertappt zu werden. Er strich sich die Kleider glatt, die
die Leidenschaft in Unordnung gebracht hatte, und trottete die Stufen hinunter ins Erdgeschoss.
«Ein junger Mann will dich sehen», sagte Jane etwas nervös. «Er hat sich als Hauptmann Derek Shackleton vorgestellt.»
Wells verharrte am Fuß der Treppe. Derek Shackleton? Wo hatte er diesen Namen schon einmal gehört?
«Er wartet im Wohnzimmer. Aber er hat noch etwas gesagt, Bertie …», sagte Jane zögernd und wusste nicht, welchen Ton sie ihren nächsten Worten geben sollte. «Er hat gesagt, er käme … aus dem Jahr 2000.»
Aus dem Jahr 2000? Da fiel Wells
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