Die Landkarte der Zeit
XXXIII
Als die Schläge aufhörten, biss Tom die Zähne zusammen und versuchte trotz seiner Schmerzen, den Arm auszustrecken, um Claires
Blüte zu fassen zu kriegen. Es gelang ihm jedoch nicht, da ihn jemand an den Haaren in eine sitzende Stellung riss.
«Du hast dich gut gehalten, Tom. Wirklich nicht schlecht», flüsterte ihm Jeff Wayne ins Ohr. Dann stieß er ein Lachen aus,
das auch ein Stöhnen sein konnte. «Leider wird das an deinem Ende nichts ändern.»
Er befahl Mike Spurrell, ihn an den Beinen zu fassen, und dann fühlte sich Tom hochgehoben und wer weiß wohin getragen, was
ihn am Rande der Ohnmacht auch nicht mehr interessierte. Nach einigen schwankenden Minuten wurde er wie ein Sack auf die Erde
geworfen. Wellenschlag und das Aneinanderstoßen von Booten drang an sein Ohr und bestätigte seine schlimmsten Befürchtungen.
Sie hatten ihn zum Kai getragen und würden ihn wahrscheinlich umstandslos ins Wasser werfen. Im Augenblick jedoch sprach oder
tat niemand etwas. Tom wollte sich in die Bewusstlosigkeit flüchten, doch etwas hinderte ihn; etwas gar nicht einmal Unangenehmes
strich warm und weich über seine geschwollenen Wangen, als wollte ihm einer seiner ehemaligen Kollegen das Sterben versüßen,
indem er ihm |507| mit einem feuchten Lappen das Blut aus dem Gesicht wischte.
«Eterno, bei Fuß!», hörte er jemand rufen.
Sofort hörte der feuchte Lappen zu wischen auf, und Tom vernahm schwere Schritte auf dem Kopfsteinpflaster, die sich gemächlich
näherten.
«Stellt ihn auf die Beine», befahl die Stimme.
Die Männer rissen ihn hoch, doch seine Beine gehorchten ihm nicht, und er hing wie eine Marionette, deren Fäden zerschnitten
sind, zwischen ihnen, und als sie ihn losließen, sackte er auf die Knie. Eine Hand hielt ihn am Hemdkragen hoch, damit er
nicht wieder in sich zusammensank. In dieser Stellung erkannte Tom, als seine Benommenheit schwand und sein Blick einigermaßen
klar wurde, nicht allzu überrascht Gilliam Murray und den Hund, der ihm um die Beine lief. Der Unternehmer wirkte leicht verärgert
wie jemand, den man wegen irgendeines Blödsinns spätnachts aus dem Bett geholt hat, wobei er offenbar vergessen hatte, dass
er selbst es ja gewesen war, der den Überfall angeordnet hatte. Er blieb ein paar Schritte vor Tom stehen und betrachtete
ihn mit spöttischem Grinsen.
«Tom, Tom, Tom», sagte er schließlich wie jemand, der ein ungezogenes Kind zur Rede stellt. «Warum musste es so weit kommen?
Fällt es dir so schwer, meine einfachen Anweisungen zu befolgen?»
Tom schwieg; weniger, weil es sich um eine rhetorische Frage handelte, als weil er nicht sicher war, überhaupt ein Wort herausbringen
zu können mit seinen aufgeplatzten Lippen und den Mund voller Blut und gesplitterter Zähne. Jetzt, da sein Blick wieder klar
geworden war, konnte er feststellen, dass sie sich tatsächlich im Hafen befanden, |508| nur wenige Meter vom Rand der Kaimauer entfernt. Außer Gilliam, der vor ihm stand, und seinen Kollegen, die hinter ihm auf
weitere Anweisungen warteten, schien keine Menschenseele in der Nähe zu sein. Alles würde sehr verschwiegen ablaufen. So starben
die Niemande ohne Namen, diskret, ohne Lärm, mitten in der Nacht, während der Rest der Welt schlief. Kein Mensch würde merken,
dass er am nächsten Tag nicht mehr da war. Niemand würde sagen: Moment, wo ist Tom Blunt? Nein, das Weltorchester würde ohne
ihn weiterspielen, weil es ihn im Grunde nie gebraucht hatte.
«Weißt du, was das Witzigste an der ganzen Sache ist, Tom?», fragte Gilliam Murray, während er an den Rand der Kaimauer trat
und gedankenverloren auf das schwarze Wasser starrte. «Dass deine Liebe dich verraten hat.»
Tom gab auch diesmal keine Antwort. Er beobachtete seinen Chef, der immer noch in die Betrachtung der Themse versunken war,
jener bodenlosen Truhe, in der er alles verstaute, was ihm Probleme bereitete. Nach einer Weile drehte sich der Unternehmer
wieder zu ihm um und betrachtete ihn mit halb mitleidigem, halb belustigtem Lächeln.
«Ja, ich hätte von eurem Idyll niemals erfahren, wenn die junge Dame nicht am nächsten Tag in meinem Büro erschienen wäre
und mich nach der Adresse irgendeines Vorfahren von Hauptmann Shackleton gefragt hätte.»
Er machte wieder eine Pause, damit Tom die Nachricht verdauen konnte, denn aus dessen überraschtem Gesicht war leicht herauszulesen,
dass das Mädchen ihm nichts erzählt hatte. Nun, so wichtig
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