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Die Landkarte der Zeit

Titel: Die Landkarte der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Félix J. Palma
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Kauffman und Forrest Austin waren zwei Abenteurer, Aufschneider und Trunkenbolde,
     denen es bisher gelungen war, jede ihrer Expeditionen zu einem Fiasko werden zu lassen, die jedoch die Einzigen waren, die
     sein Vater nicht vermissen würde und die mit einem Achselzucken zum afrikanischen Kontinent aufbrechen würden, um dort nach
     einem Stamm singender Zauberer zu suchen, die Löcher in die Luft machten, die in andere Welten führten. Außerdem waren sie
     die Einzigen, denen man aufgrund ihrer erwiesenen Unfähigkeit einen so nutzlosen Auftrag wie die Suche nach den Lianesen erteilen
     konnte, der letzten Endes nichts anderes war als Gilliams bescheidene Hommage an den unglücklichen Oliver Tremanquai. Beinahe
     heimlich verließen Kauffman und Austin England. Weder sie selbst noch Gilliam ahnten, dass sie auf dem Weg waren, die berühmtesten
     Forscher ihrer Zeit zu werden. Sobald sie Afrika erreicht hatten, begannen sie, wie abgesprochen, ihre Fortschritte in Telegrammen
     mitzuteilen, die Gilliam überflog und mit einem mitleidigen Lächeln in einer Schublade seines Schreibtisches verstaute.
    Alles änderte sich, als er nach drei Monaten ein Telegramm erhielt, in dem die beiden erklärten, die Lianesen aufgespürt zu
     haben. Das gab es doch nicht! Nahmen die beiden ihn auf den Arm, als Strafe dafür, dass er sie auf diese abwegige Expedition
     geschickt hatte? Die Beschreibungen, die sie lieferten, schlossen einen Streich jedoch aus, denn sie stimmten haargenau mit
     denen überein, die Oliver Tremanquai ihm bei seinen Besuchen aufgetischt hatte. So konnte Gilliam trotz seiner Verblüffung
     zu keinem anderen Schluss kommen, als dass sowohl Tremanquai |147| wie auch Kauffman und Austin die Wahrheit gesagt hatten: Die Lianesen existierten. Ab da wurden die eintreffenden Telegramme
     zum wichtigsten Grund für Gilliam Murray, jeden Morgen aufzustehen. Aufgeregt wartete er auf den Telegrammboten, las die Nachrichten
     hinter verschlossener Tür in seinem Büro und war fürs Erste nicht bereit, die erstaunliche Entdeckung mit irgendeinem Menschen
     zu teilen, nicht einmal mit seinem Vater.
    Wie den Telegrammen zu entnehmen war, hatten Kauffman und Austin, nachdem sie den Stamm der Lianesen gefunden hatten, keine
     Schwierigkeiten gehabt, bei ihnen als Gäste aufgenommen zu werden. Tatsächlich schienen die Lianesen mit allem und jedem einverstanden
     und unfähig zu sein, sich was oder wem auch immer zu widersetzen. Andererseits schien die Anwesenheit der beiden Forscher
     auch kein besonderes Interesse bei ihnen zu wecken. Sie nahmen sie einfach hin. Kauffman und Austin blieben ebenfalls gelassen
     und waren weit davon entfernt, ob der Schwierigkeit ihrer Hauptaufgabe, die ja darin bestand, festzustellen, ob diese Wilden
     Durchgänge zu anderen Welten zu öffnen vermochten, den Mut zu verlieren. Sie nahmen das Ganze als bezahlten Urlaub; und obwohl
     sie es nicht aussprachen, konnte Gilliam sich leicht vorstellen, wie sie die Tage in der Sonne liegend verbrachten und fleißig
     dem Whisky zusprachen, den sie kistenweise ins Expeditionsgepäck gemogelt hatten, während Gilliam so tat, als sehe er nichts.
     Unglaublicherweise war das die beste Strategie, die sie ersinnen konnten, denn die alkoholbedingte Lethargie, mit der sie
     ihre Tage verdösten, die Tänze und Ringkämpfe, die sie bar jeder Kleidung auf dem Gras vorführten, machten die Lianesen neugierig
     auf das bernsteinfarbene |148| Gebräu, von dem man eine derart prächtige Laune bekam. Das Whiskytrinken ließ zwischen ihnen eine trübe Bruderschaft von Saufkumpanen
     entstehen, was Gilliam in seinem Büro von ganzem Herzen begrüßte, da dies zweifellos den ersten Schritt zu einem vertrauteren
     Umgang miteinander darstellte. Er irrte sich nicht. Die ersten elementaren Begegnungen entwickelten sich zu einem gegenseitigen
     Vertrauens- und Zuneigungsverhältnis, das ihn allerdings mehrere Lieferungen besten schottischen Whiskys kostete; und noch
     heute fragte er sich manchmal, ob wirklich so viele Liter des nicht eben billigen Getränks für eine so geringe Zahl von Eingeborenen
     nötig war.
    Eines Morgens endlich erreichte ihn das langersehnte Telegramm, in dem Kauffman und Austin berichteten, wie sie von den Lianesen
     zum Dorfplatz geführt worden waren, wo man als schöne Geste des Danks und der Freundschaft für sie ein Loch zur anderen Welt
     in die Luft geschnitten hatte. Um die Öffnung und die rosafarbene Ebene dahinter zu beschreiben,

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