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Die Landkarte des Himmels

Die Landkarte des Himmels

Titel: Die Landkarte des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Félix J. Palma
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bei mir.
    Die Gruppe bestand aus dem Schriftsteller H. G. Wells und seiner Gemahlin Jane, die beide kennenzulernen ich – aus Gründen, die hier nichts zur Sache tun – schon vor ein paar Jahren das Vergnügen gehabt hatte und daher mit aufrichtiger Freude begrüßte; einer bildhübschen amerikanischen Dame namens Emma Harlow; einem offenbar betrunkenen jungen Mann, der an einen Baum gelehnt seinen Rausch ausschlief und sich uns später als Cornelius Clayton, Agent von Scotland Yard, vorstellte; und einem Gespenst, Mr. Gilliam Murray nämlich, den ich, nachdem ich meine Verblüffung, ihn noch am Leben zu sehen, überwunden hatte, mit einer Begeisterung begrüßte, die nicht allein auf der Bewunderung für den Herrn der Zeit beruhte, sondern mindestens ebenso auf der Gewissheit, dass dieser Zufall nichts anderes als ein weiteres Zeichen dafür sein konnte, dass wir uns auf dem richtigen Weg zu unserer Bestimmung befanden. War es etwa nicht als Wink zu verstehen, dass wir plötzlich dem Mann gegenüberstanden, dem es zu verdanken war, dass Shackleton und Claire sich kennengelernt hatten?
    Was mir aber vor allem auffiel, war die schreckliche Mutlosigkeit der Gruppe, und die war mehr als verständlich, denn von hier oben konnte man sehen, dass die Kampfmaschinen überall waren und die Stadt langsam und bedächtig zerstörten. Die meisten Stadtteile bestanden nur noch aus rauchenden Ruinen, hier und da loderten Feuersbrünste, deren aufwirbelnder Qualm den Himmel verdunkelte, derweil auf den Straßen zwischen hoffnungslos ineinander verkeilten Karren und Kutschen eine kopflose Menge die Stadt in Richtung Norden und Osten zu verlassen und das offene Land zu erreichen suchte, wo es anscheinend keine Marsmenschen gab.
    Um unseren neuen Gefährten Mut zu machen, schritt ich – unnötig theatralisch, wie ich gestehen muss – sogleich zur Tat und enthüllte ihnen die Identität meines geheimnisvollen Begleiters. Und als wäre das nicht Ausweis genug, erzählte ich auch gleich noch, wie Hauptmann Shackleton ganz allein eine dieser grausigen Kampfmaschinen niedergemacht hatte. Zu meinem Leidwesen musste ich jedoch feststellen, dass die Anwesenheit des Hauptmanns sie weniger aufzurichten schien, als ich erwartet hatte. Als ich die Geschichte seiner Heldentat zu Ende erzählt hatte, musterte Murray den Hauptmann zwar zuerst mit misstrauischer Miene, doch dann trat er einen Schritt vor und reichte ihm die Hand.
    «Freut mich, Sie kennenzulernen, Hauptmann Shackleton», sagte er.
    Ich sah, wie sie sich eine unendlich lang erscheinende Zeit die Hände drückten und sich mit feierlichem Ernst in die Augen schauten, wie es eine solche Begegnung wohl erforderte, denn wir dürfen ja nicht vergessen, dass Gilliam Murray es war, der uns ermöglicht hatte, den Hauptmann aus der Ferne zu bewundern, sodass er jetzt in einer Zeit gelandet war, in der wir alle von seinen Heldentaten wussten, auch wenn er sie noch gar nicht begangen hatte. Man konnte sagen, dass sie zusammengearbeitet hatten, ohne voneinander zu wissen oder sich zu kennen. Nachdem er dem Hauptmann die Hand so lange geschüttelt hatte, dass wir schon die Geduld zu verlieren begannen, ließ Murray sie endlich los und fügte breit grinsend hinzu:
    «Für mich ist es eine wahre Überraschung, Sie hier zu sehen. Ich wusste gar nicht, dass Sie noch auf dieser Welt sind.»
    «Tut mir leid, nicht dasselbe sagen zu können», antwortete Shackleton in einem Ton, der im Vergleich zu Murray überraschend zurückhaltend war, «aber Sie werden Verständnis dafür haben, dass es kein Vergnügen für mich ist, dem Menschen zu begegnen, der meinen Kampf mit Salomon zu einem Zirkusspektakel für gelangweilte Aristokraten gemacht hat.»
    Das war eine Antwort, die ich nicht vom Hauptmann erwartet hatte. Murray ebenso wenig. Er kniff unwillkürlich die Lippen zusammen, führte dann jedoch die erstaunliche Flexibilität seiner Gesichtsmuskulatur vor, indem er die unwillige Miene durch ein leutseliges Lächeln ersetzte.
    «Warum sollte ich unseren Landsleuten ein solch bewegendes Duell vorenthalten? Sie handhaben das Schwert mit außergewöhnlicher Meisterschaft, Hauptmann. Glauben Sie mir; ich bin Ihr größter Bewunderer. Ich konnte mir Ihren Kampf gegen Salomon gar nicht oft genug ansehen. Und ich muss gestehen, dass ich, je öfter ich dessen Zeuge war, mich immer mehr gewundert habe, wie Sie einen so furchtbaren Gegner besiegen konnten. Sie sind schwer umzubringen, Hauptmann, wenn Sie mir

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