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Die Landkarte des Himmels

Die Landkarte des Himmels

Titel: Die Landkarte des Himmels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Félix J. Palma
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versteckte er das Tagebuch darin.
    Lieber hätte er es einer Brieftaube mitgegeben, die es in einem letzten Akt des Widerstands in ein Land auf dem Kontinent getragen hätte, in dem es noch einige freie Menschen gab; doch da er keine zur Hand hatte und auch nicht wusste, wo es Menschen geben könnte, die noch nicht in die Klauen der Marsleute gefallen waren, musste er sich damit begnügen, es am Rande des Lagers zu vergraben. Dann bedeckte er die Mulde mit Steinen und betrachtete den Grabhügel schweigend. Ihm war völlig unklar, für wen er das Tagebuch dort verscharrt hatte. Vielleicht würde es nie jemand finden, und die Blätter würden von der Zeit zerfressen, bevor irgendjemand darin las. Oder einer der Marsmenschen würde zufällig darauf stoßen und es verbrennen, was immer noch besser wäre, als dass er es – von seinesgleichen umringt – mit lauter Stimme vorläse und sich über die armselige Prosa lustig machte, Charles’ Gedanken über die Liebe belächelte und die Anstrengungen, die sie unternommen hatten, um dem Unausweichlichen zu entkommen.
    Andererseits war es unwichtig, ob das Tagebuch gefunden würde oder nicht, dachte er, denn als Nächstes kam die Scham darüber, warum er es überhaupt geschrieben hatte. Er hatte es nicht getan, damit die Liebesgeschichte von Emma und Gilliam überdauerte oder um festzuhalten, was er über die Marsmenschen herausgefunden hatte, wie es im Tagebuch stand. Nein, sagte er sich in einem Anflug von Aufrichtigkeit; er hatte es wie immer aus Egoismus getan, damit die beste Version seiner selbst für die Nachwelt erhalten bliebe, um auf die einzig ihm mögliche Weise festzuhalten, dass er sein Leben zwar sinnlos durchgebracht, es in seinen letzten Tagen jedoch geschafft hatte, sich neu zu stimmen und am Ende genauso zu klingen, wie jeder klingen sollte, der die Bezeichnung Mensch verdiente.
    Wenn es also dafür gewesen war, dann hatte er seine Aufgabe erfüllt und konnte sich jetzt zum Sterben niederlegen. Das war es, was sein Körper forderte: die endgültige, ununterbrochene Ruhe des Todes. Charles lächelte und entblößte dabei sein Greisenzahnfleisch, in dem sich kein einziger Zahn mehr befand. Genau das würde er tun. In seine Zelle zurückkehren, sich auf den Strohsack legen und auf den Tod warten, der gewiss bald bei ihm anklopfen würde. Und am Morgen, wenn die Sonne aufging, würde das Halsband seinen ewigen Schlaf zunichte machen und ihm einen letzten Spaziergang über das Lagergelände gewähren. Denn das wäre der letzte Teil seiner Bestimmung: Nahrung zu werden für die Überlebenden. Das Ende von Charles Winslow.
    Von Schwindelanfällen übermannt, wankte er seiner Zelle entgegen. Dafür musste seine Kraft noch reichen, dachte er, und das entledigte ihn in gewisser Weise auch der Verantwortung, die der Anblick der im grünen Sud des Aquariums schwimmenden Claire ihm auferlegt hatte. Sollte er Shackleton wirklich sagen, dass seine Frau tot oder Schlimmeres war, und ihm damit die letzte Hoffnung rauben, sie noch einmal wiederzusehen? Wenn er das täte, würde er ihm das Letzte nehmen, was ihn am Leben hielt. Aber hatte es der Hauptmann nicht verdient, ebenfalls zur Ruhe zu kommen? Gewiss hatte er das; und Charles konnte ihm mit wenigen Worten den Grund dafür liefern, die Waffen zu strecken, endlich aufzugeben. Warum sollte er es also nicht tun?
    Diese Zweifel hatten die ganze Nacht über an seinem Gewissen genagt, und als der neue Tag anbrach, war er immer noch zu keinem Entschluss gekommen. Wenn er sich auch einredete, viel zu schwach zu sein und es niemals bis zu Shackletons Zelle zu schaffen, erwies sich dieser Vorwand doch als zu unhaltbar, um seine Gewissensbisse zu vertreiben. So schwach er sich auch fühlte, war er doch sicher, bis zum Hauptmann zu gelangen und ihm mitteilen zu können, was er gesehen hatte, um ihm so die nutzlose Qual zu verkürzen. Wenn der Hauptmann erführe, dass sich Claire in der Pyramide befand, würde er zu ihr zu gelangen versuchen, und sein Halsband würde ihn strangulieren, vielleicht sogar erwürgen, falls er den Versuch nicht aufgab. Aber auch das war jetzt ohne Bedeutung. Es würde ganz offensichtlich keinen Aufstand geben, musste sich Charles verbittert eingestehen, die Marsmenschen würden bis ans Ende aller Zeiten die Erde beherrschen. Die Gegenwart war schon viel zu endgültig, als dass noch jemand sie zu ändern vermöchte. Die dem Untergang geweihte Erde brauchte keinen Helden mehr. Also beschloss Charles,

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