Die Landkarte des Himmels
der Zukunft bewahrte. Dieser Gedanke versöhnte ihn mit seinem armseligen Dasein, und so ließ Charles Winslow das Dunkel in sich hinein, das seine Seele mitnahm ins Nichts.
Hauptmann Shackleton betrachtete ihn eine Weile, dann streckte er die Hand aus und drückte seinem Freund sanft die Augen zu, damit er in Frieden ruhe. Er suchte die Reste der Kerze zusammen, die er während des Gesprächs mit Charles in eine Form geknetet hatte, die dieser in seinem Delirium für das Amulett halten konnte, das die Existenz der Armee aus der Zukunft bewies, die gekommen war, ihren Anführer zu suchen. Er legte sie auf den Tisch und fragte sich, ob Ashton ihm eine neue besorgen konnte; er fragte sich, ob Charles’ Halsband wohl bald aktiviert werden und ihn zu seinem letzten Gang an den Trichter führen würde oder ob er ihn auf den Fußboden rollen sollte, damit er selbst sich auf sein Strohlager legen konnte. Er musste schlafen. Bei Tagesanbruch würden sie ihn wieder ins Frauenlager bringen, und da wollte er so ausgeruht wie möglich sein, denn, wer weiß, vielleicht war morgen ja der Tag, an dem er endlich Claire begegnete …
Natürlich fand der Hauptmann seine Claire weder am nächsten Tag noch am übernächsten, und auch nicht an einem der vielen Tage, die darauf folgten und sich still zu einem Haufen türmten, bis ein weiteres Jahr vergangen war. Dies jedoch ist eine andere Geschichte, und ich hoffe, Sie verzeihen mir, dass ich sie hier nicht erzählen kann; vielleicht ein anderes Mal, mit dem größten Vergnügen. Bevor wir nun den tapferen Hauptmann Shackleton – von der geliebten Claire träumend – in seiner Zelle zurücklassen, gestatten Sie mir die dreiste Bitte, keinen weiteren Gedanken an ihn zu verschwenden. Ich bin sicher, dass viele von Ihnen, genau wie Charles, im Verlauf unserer Geschichte nicht gewusst haben, was sie von Hauptmann Shackleton halten sollten. Ist dieser Mensch wirklich der Hauptmann, der im Jahr 2000 die Welt rettet? Oder ist er ein Schwindler, ein Opportunist, der sich als Hauptmann ausgibt, um ein hübsches, reiches Mädchen in sich verliebt zu machen, was ihm auf andere Weise niemals gelungen wäre? Diese Frage werden Sie sich – beeinflusst vielleicht von Charles’ immer wieder auftretenden Zweifeln – mehr als einmal gestellt haben. Haben wir es mit einem Mann zu tun, der aus Liebe von der Zukunft in die Gegenwart gereist ist, oder mit einem Mann, der sich aus Liebe eine Vergangenheit ausgedacht hat? Handelt es sich bei ihm um den echten Hauptmann, der sich die Geschichte ausgedacht hat, damit Charles beruhigt sterben kann; oder um einen Hochstapler, der sich Charles’ im letzten Moment ebenfalls erbarmt hat? Schwindler oder Held, das ist hier die Frage. Aber selbst auf die Gefahr hin, Ihren Unwillen zu erregen, nehme ich mir die Freiheit, Ihnen die Antwort vorzuenthalten, die ich selbstverständlich kenne, sowie ich auch die Antwort auf jede andere Frage kenne, die Sie mir stellen könnten, denn gewiss erinnern Sie sich, dass ich derjenige bin, der alles hört und alles sieht, auch wenn er es gar nicht will … Wie gesagt: Vielleicht kann ich Ihnen die überraschende Geschichte des Hauptmanns und der außergewöhnlichen Abenteuer, die ihn erwarten, eines Tages erzählen. Wenn das geschieht, verspreche ich Ihnen, das Geheimnis seiner Identität zu lüften.
Fürs Erste will ich Ihnen verraten, dass dieser Mann – Schwindler oder nicht –, der jetzt in seiner Zelle liegt und davon träumt, am nächsten Tag vielleicht seine Geliebte zu finden, ein echter Held ist. Und zwar nicht, weil er in der Zukunft den bösen Salomon enthauptet hat oder enthaupten wird und dadurch die Menschheit rettet. Es gibt andere Arten – wenngleich weniger aufsehenerregende –, ein Held zu werden. Würde diese Bezeichnung nicht auch jemand verdienen, dem es gelingt, einen Sterbenden von einer besseren Welt träumen zu lassen, wie er es dem armen Charles ermöglicht hat? Meiner bescheidenen Meinung nach, ja. Und nichts würde mich mehr freuen, als wenn Sie sich dieser Meinung anschließen könnten. Als Charles Winslow starb, erblickte er am Ende des Tunnels das Licht einer siegreichen Welt, die der Hauptmann und seine Männer gerettet hatten und die noch schöner sein würde als die, die er gekannt hatte … Sollen wir nicht jemand als Helden betrachten, der eine vollkommene Welt zu erschaffen vermag, und sei es nur für einen Augenblick und für einen einzigen Menschen? Und war nicht auch
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