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Die Lange Erde: Roman (German Edition)

Die Lange Erde: Roman (German Edition)

Titel: Die Lange Erde: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett , Stephen Baxter
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mütterlicherseits war ein echter Wechsler, der spürte eine weiche Stelle auf zwei Meilen Entfernung. Opa nannte sie immer die Feenwege. Er war gebürtiger Ire und sagte immer, wenn man an eine weiche Stelle geriet, könne man flott wechseln, wie er es nannte. Mama sagte, wenn man flott wechselt, dann häufe man eine Schuld an, die man eines Tages zurückzahlen muss.«
    »Was hat es mit Happy Landings auf sich?«, erkundigte sich Joshua. »Wie kommt es, dass manche Leute sich plötzlich aus ihrer vertrauten Umgebung lösen und dann hier angespült werden, wie der Bürgermeister sagt? Vielleicht hat es etwas mit dem Netzwerk der weichen Stellen zu tun. Die Leute treiben ziellos dahin und finden an einem Ort zusammen, vielleicht wie Schneeflocken, die sich in einer Senke sammeln.«
    »Ja, vielleicht ist es so«, meinte Lobsang. »Wir wissen, dass Stabilität irgendwie ein Schlüssel zur Langen Erde ist. Vielleicht ist Happy Landings so etwas wie ein Potenzialtopf. Es liegt auf der Hand, dass dieser Ort hier schon lange vor dem Wechseltag in Betrieb war, schon sehr tief in der Vergangenheit.«
    »Schon«, sagte Sally skeptisch. »Aber das ist nicht der springende Punkt. Die Trolle sind nervös – sogar hier. Ich spüre es genau, auch wenn ihr es nicht spürt. Darauf müssen wir uns konzentrieren. Deshalb habe ich mich an euch zwei Clowns in eurem lächerlichen Luftkahn gewandt. Weil ihr auf eure eigene beschränkte Weise genau das gesehen habt, was ich gesehen habe. Dass es quer durch die Lange Erde irgendetwas gibt, was den Trollen und anderen Humanoiden eine Heidenangst einjagt. Und das wiederum jagt mir eine Heidenangst ein. Und genau wie ihr würde ich gerne herausfinden, was da eigentlich vor sich geht.«
    »Aber was macht dir am meisten Angst, Sally?«, fragte Joshua. »Dass da etwas uns Menschen bedroht, oder die Trolle?«
    »Was glaubst du denn?«, blaffte sie.
    In der Dämmerung gab es dank der Trolle eine gesungene Abendandacht. Die Trolle waren ihre Gesänge, sie lebten in einer Welt ständigen Geschnatters.
    Allerdings unterschieden sich die Menschen von Happy Landings in dieser Hinsicht nicht sonderlich von ihnen. Auch nach Anbruch der Dunkelheit spazierten sie draußen herum, winkten, lachten und erfreuten sich ganz allgemein der Gesellschaft der anderen. Überall wurden Feuer angezündet, denn auf den meisten Welten herrschte im pazifischen Nordosten kein Mangel an Feuerholz. Joshua fiel auf, dass zum Abend noch mehr Leute aus benachbarten Siedlungen herbeikamen. Einige zogen kleine Karren mit Babys oder alten Leuten darin hinter sich her. Also war die Gegend von Humptulips rings um Happy Landings doch nicht ganz so einsam.
    Sie erfuhren, dass einige Besucher von weither kamen, sogar aus dem Gegenstück von Seattle auf dieser Welt. Der entsprechende Bezirk auf dieser Erde wurde seit 1954 ebenfalls Seattle genannt, seit eine Frau namens Kitty Hartman, die gerade auf dem Heimweg vom Pike Place Market gewesen war, unwissentlich gewechselt war und nicht schlecht staunte, als die Gebäude ringsumher plötzlich verschwunden waren. Die Reisenden von der Mark Twain wurden Mrs Montecute, wie sie heute hieß, persönlich vorgestellt: weißes Haar, ungewöhnlich agil und sehr gesprächig.
    »Natürlich war es damals ein Schock für mich, ich weiß noch genau, dass ich nicht einmal wusste, in welchem Bundesstaat ich eigentlich war! Ich bin nicht mehr in Washington, dachte ich mir, so viel ist mal klar. Ich fragte mich, ob ich nicht einen kleinen Hund hätte mitnehmen sollen, und ein paar rote Schuhe! Und dann war der erste Mensch, der mir begegnete, François Montecute, ein wirklich sehr netter Mann, und der hat mir den Kopf verdreht, und er war ein wahrer Künstler zwischen den Laken, wenn Sie verstehen, was ich meine.« Das alles erzählte sie ihnen mit der fröhlichen Unverblümtheit einer älteren Dame, die sich dazu entschlossen hatte, allen jungen Leuten klarzumachen, dass sie durchaus auch einmal ein sexuelles Wesen gewesen war und diesen Umstand, allem Anschein nach, weidlich ausgekostet hatte.
    Mrs Montecute strahlte eine gewisse Zufriedenheit aus, die, wie es Joshua vorkam, von allen anderen in Happy Landings bis zu einem gewissen Grad geteilt wurde. Man konnte es nur schwer benennen.
    Als er es versuchte, sagte Sally nur: »Ich weiß, was du meinst. Alle wirken so, na ja, vernünftig. Ich bin schon oft hier gewesen, und es ist jedes Mal dasselbe. Nie hört man irgendwelche Klagen oder Eifersüchteleien.

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