Die Lange Erde: Roman (German Edition)
schon, ein Wechselschritt. Das Springen selbst geht ja schnell.« Er grinste. »Bevor unsere Augen explodieren und uns über die Gesichter tropfen, sind wir längst wieder in ordentlicher Atmosphäre.«
»Schön, dass du dir das alles so drastisch vorstellen kannst.«
Lobsang lächelte nur glasig. »Ich freue mich, dass du bei 2001 so gut aufgepasst hast, Joshua.«
»Wir sind schon so weit gekommen«, erwiderte Joshua. »Ich bin dafür, dass wir weitermachen, und wenn wir am Ende zu Fuß gehen müssen.« Er nahm Sallys Hand. »Bist du bereit?«
»Machst du Witze? Jetzt?«
»Ehe wir es uns anders überlegen. Bitte einen Wechselschritt, Lobsang.«
Joshua wurde später nie ganz schlau aus seiner Erinnerung an das, was danach geschah. Spürte er wirklich die beißende Kälte des Weltraums? Vernahm er wirklich den rauschenden Wind des Vergessens zwischen den Galaxien? Nichts schien mehr real zu sein. Erst dann wieder, als er in einen wolkenverhangenen Himmel starrte und hörte, wie der Regen gegen die Gondelfenster prasselte.
Sie gönnten sich einen Tag Erholung, an dem sie auch das Luftschiff, so gut es ging, wieder zusammenflickten.
Dann wechselte die Mark Twain weiter, immer weiter nach Westen, aber jetzt viel vorsichtiger, nur alle paar Sekunden eine Welt, also ungefähr mit ihrer halben früheren Reisegeschwindigkeit, und auch nur bei Tageslicht.
Nach zwanzig oder dreißig Welten hielten sie an, als sie die typischen Krater erblickten, mit der die Welten rings um die Lücke übersät waren, vielleicht Überreste von Beinahezusammenstößen mit dem Objekt, das die Lücke in den Wirklichkeiten gleich nebenan hervorgerufen hatte. Sie befanden sich irgendwo jenseits der zweimillionsten Erde. Die Welten hier waren öd und gleichförmig. In diesen weit entfernten Kopien hatte Amerika immer noch eine pazifische Küste, und sie hielten sich meistens an diesen Küstenstreifen, wobei sie versuchten, die Gefahren der endlosen Waldgebiete und des Meeres selbst zu meiden. Joshua kam das alles wie eine endlose Abfolge langweiliger Welten ohne bunte Blumen, ohne Insekten und Vögel vor, in denen die Vegetation von riesigen, baumartigen Farnen dominiert wurde. Am Meeresufer erblickten sie dennoch gelegentlich spektakuläre Wesen beim Fischen, geschickte Läufer auf zwei Beinen mit großen, sichelförmigen Klauen an den Armen, die sie ins Wasser tauchten, um große Fische herauszuschöpfen und einen nach dem anderen hinter sich auf den Strand zu werfen.
Tage vergingen. Die Eigenschaften der Welten veränderten sich weiter. Die Wälder wichen vom Meeresufer zurück und hinterließen breite Streifen aus Sträuchern und vereinzelten Bäumen. Auch das Meer veränderte sich. Es wurde grüner, fand Joshua. Auch ruhiger, als würde das Wasser zähflüssiger, dichter. Die Passagiere an Bord der Mark Twain redeten nicht viel. Sämtliche Kaffeemaschinen hatten, ihrer experimentellen Pfiffigkeit zum Trotz, den Geist aufgegeben, weshalb sich Sallys Stimmung weiter verschlechterte.
Joshua stellte fest, dass er das Wechseln immer schwerer ertrug.
Sally tätschelte seinen Arm. »So langsam nähern wir uns dieser Teenager-Party, was, Joshua?«
Er hatte es noch nie leiden können, wenn andere eine Schwäche bei ihm erkannten. »Ja, so ungefähr. Spürst du denn nichts?«
»Nein. Leider nicht. Wie gesagt, Joshua, ich bin eifersüchtig auf dich. Du verfügst über ein ganz besonderes Talent.«
Als sie sich an diesem Abend, so gut es ging, ausruhten, während das Schiff vorsichtig weiterwechselte, schreckte Lobsang Joshua mit einem Gespräch über einen Zugang zum Weltraum auf.
»Ich habe nachgedacht. Was für eine Möglichkeit die Lücke doch bietet!«
Da die Bordküche weitgehend ausgefallen war, war Joshua gerade dabei, aus einem ausgemusterten Ausrüstungsgegenstand einen Grill zusammenzuhämmern. »Eine Möglichkeit wofür?«
»Für die Raumfahrt! Man könnte einfach einen Druckanzug anlegen und loswechseln, hinein ins Weltall. Der ganze nervige Aufwand von wegen Überwindung der Schwerkraft der Erde mittels Raketen fällt weg. Man befindet sich vermutlich in einer Umlaufbahn um die Sonne, genau wie die Erde. Sobald man in der Lücke so etwas wie eine Infrastruktur aufgebaut hat, kann man einfach in See stechen. Es wäre dann wesentlich energieeffizienter, zum Mars zu gelangen, beispielsweise … Weißt du, ich bin schon immer ein großer Weltraumfan gewesen. Schon damals in Tibet. Ich habe sogar persönlich ein bisschen Geld ins
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