Die Lange Erde: Roman (German Edition)
davon abzubringen, sämtliche Welten aufzufressen. Was dann, Lobsang?«
»Dann setzen wir unsere Suche nach der Wahrheit hinter dem Universum gemeinsam fort.«
»Das hört sich so unmenschlich an«, sagte Sally.
»Ganz im Gegenteil. Es ist extrem menschlich.«
Erste Person Singular ragte jetzt direkt unter ihnen aus dem Wasser. An ihrer Seite sprossen schaufelähnliche Objekte wie fleischige Antennen, auf denen sich kleine Krabben niedergelassen hatten, ebenso wie eine Anzahl von Meeresvögeln, die es wahrscheinlich auf die Krabben abgesehen hatten.
»Also gut«, sagte Lobsang. »Den Rest erledigt ihr. Es liegt auf der Hand, dass ich euch brauche, um das Luftschiff wieder zur Datum zurückzubringen. Setzt euch mit Selena Jones von transEarth in Verbindung. Sie weiß, was mit den Datenspeichern an Bord zu tun ist und wie man sie mit einer Kopie von mir auf der Datum synchronisiert. Also bringst du mich gewissermaßen doch noch nach Hause, Joshua. Bestell Selena meine besten Grüße. Ach, ich habe mir immer eingebildet, sie würde in mir so etwas wie eine Vaterfigur sehen. Obwohl sie von Rechts wegen mein Vormund ist. Tja, ich bin nämlich noch nicht mal einundzwanzig Jahre alt.«
»Moment mal«, rief Sally. »Ohne dich hat die Mark Twain doch keinerlei Wahrnehmung mehr. Wie kann sie uns da irgendwohin bringen?«
»Das sind lächerliche Details, Sally! Ich hinterlasse dir diese Fragen als Trainingsprogramm. Wenn ihr mich jetzt entschuldigt, ich darf einen geheimnisvollen, im Meer treibenden kollektiven Organismus nicht verpassen. Ach, eines noch – sorgt bitte gut für Shi-mi …«
Damit zog er sich zum letzten Mal hinter seine blaue Tür zurück.
49
N achdem Lobsang sich zu seiner unheimlichen Begegnung der dritten Art verabschiedet hatte, schaute die verbliebene Besatzung der Mark Twain dem Koloss nach, bis er, lange bevor er den Horizont erreicht hatte, nicht mehr zu sehen war. Die Ehrengarde der Tiere, bestehend aus Vögeln und Fischen, flog, flatterte und tauchte auf- und abwogend mit ihm davon.
Das Spektakel war vorüber. Der Jahrmarkt hatte die Stadt verlassen. Der Zauber war gebrochen. Joshua spürte, dass etwas von der Welt gegangen war.
Er sah Sally an und spürte die gleiche Bestürzung, die er in ihrem Gesicht sah. »Erste Person Singular hat mir Angst eingejagt«, sagte er. »Manchmal hat mir auch Lobsang Angst eingejagt, wenn auch aus anderen Gründen. Wenn ich daran denke, dass die beiden jetzt gemeinsame Sache machen, und was aus ihnen werden könnte …«
Sie zuckte die Achseln. »Wir haben unser Bestes getan, um die Trolle zu retten.«
»Und die Menschheit gleich mit«, warf er leise ein.
»Was machen wir jetzt?«
»Mittag essen, würde ich vorschlagen«, antwortete Joshua und machte sich auf den Weg in die Kombüse.
Kurz darauf hielt sich Sally an einem randvollen Becher Kaffee fest wie an einem Rettungsring. »Hast du’s bemerkt?«, fragte sie. »Die Reisende wechselt unter Wasser. Das ist neu.«
Joshua nickte. So ist es richtig, dachte er. Fang zuerst mit den kleinen Fragen an. Versuche erst, die kleinen Probleme zu lösen, und lass dich nicht von den kosmischen Geheimnissen überwältigen. Oder auch nur von dem Problem, wie sie wieder nach Hause kommen sollten, obwohl bei ihm diesbezüglich eine Idee allmählich Gestalt annahm. »Ein paar von den Wesen in ihr drin, die von sehr weit entfernten Welten stammen müssen, kamen mir ziemlich vertraut vor. Ich meine, eins von diesen dahintreibenden Geschöpfen sah aus wie ein großes Känguru! Die Kameras sind ja mitgelaufen. Die Zoologen dürften ihren Spaß damit haben …«
Von der Tür her war ein leises Geräusch zu hören. Joshua schaute nach unten und sah Shi-mi. Sie war wirklich eine sehr anmutige Katze, ob nun mechanisch oder nicht.
Und sie konnte sprechen.
»Anzahl der Mäuse und mäuseartigen Nager, die ins Vivarium verfrachtet wurden, um beim nächsten Landgang freigelassen zu werden: dreiundneunzig. Anzahl der Tiere, die dabei zu Schaden gekommen sind: null. Man sagt, eine Maus mit einem kräftigen Herzen könne einen Elefanten stemmen, aber glücklicherweise nicht auf diesem Schiff.« Die Katze sah sie beide erwartungsvoll an. Ihre Stimme war sanft, weiblich – und menschlich, wenn auch irgendwie katzenähnlich.
»Da hört sich doch alles auf!«
Joshua murmelte: »Sei nett zu ihr, Sally. Vielen Dank, Shi-mi.«
Die Katze wartete geduldig auf weitere Reaktionen.
»Ich wusste gar nicht, dass du sprechen kannst«,
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