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Die Lange Erde: Roman (German Edition)

Die Lange Erde: Roman (German Edition)

Titel: Die Lange Erde: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett , Stephen Baxter
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sollen«, sagte Lobsangs besänftigende Stimme. »Ja, ich meine das Feuer. Keine Sorge, Joshua, ich kann nicht Gedanken lesen, noch nicht. Aber Sie haben alle paar Sekunden einen Blick ins Feuer geworfen, außerdem neigen Sie dazu, beim Zählen die Lippen stumm zu bewegen. Interessanterweise ist dieser kleine Makel des Kaminfeuers vorher noch niemandem aufgefallen. – Ihnen fällt so etwas selbstverständlich auf. Sie beobachten, Sie hören zu, Sie analysieren, und in Ihrem geräumigen Schädel spielen Sie kleine Videos ab, wie die derzeitige Situation möglicherweise ausgehen könnte. Von einem englischen Politiker hat man einmal behauptet, wenn man ihm in den Hintern trete, würde er keinen Gesichtsmuskel verziehen, ehe er nicht entschieden habe, wie er darauf reagieren sollte. Genau das ist eine der Eigenschaften, die Sie so wertvoll machen – Ihre Bedachtsamkeit. Außerdem ist Ihnen nicht bange, stimmt’s? Ich kann überhaupt keine Angst bei Ihnen feststellen. Ich glaube, das liegt daran, dass Sie als einziger Mensch, der je in diesem festungsartigen Raum gewesen ist, wissen, dass Sie jederzeit wieder herauskönnen. Warum? Weil Sie ohne Wechsel-Box wechseln können. Ja, selbstverständlich weiß ich darüber Bescheid. Und Sie können wechseln, ohne dass Ihnen anschließend schlecht ist.«
    Joshua biss immer noch nicht an. »Selena hat gesagt, du willst mir etwas wegen des Kongressgutachtens sagen?«
    »Ganz recht. Die Expedition. Diesmal sitzen Sie ganz schön in der Tinte, was, Joshua?«
    »Hör mal, außer uns beiden ist doch niemand hier drin, oder? Deshalb gibt es, wenn du mal kurz darüber nachdenkst, überhaupt keinen Grund dafür, dass du mir immer wieder sagst, wie ich heiße . Ich weiß schon, warum du das tust. Dominanz.« Für Joshua war dieses Verhalten schon seit jeher ein Ärgernis. »Ich bin vielleicht nicht allzu clever, Lobsang, aber man muss nicht clever sein, um herauszufinden, wie der Hase läuft!«
    Eine ganze Weile hörte man nur das wiederholte Knacken des unechten Feuers. Später begriff Joshua, dass immer dann, wenn bei einer Unterhaltung mit Lobsang eine Pause entstand, eine bestimmte Absicht dahintersteckte; schließlich hätte Lobsang bei der Taktfrequenz, mit der er funktionierte, jede Frage innerhalb eines Sekundenbruchteils beantworten können.
    »Wissen Sie, wir beide sind uns ziemlich ähnlich, mein Freund«, sagte Lobsang.
    »Bleiben wir fürs Erste lieber bei ›Bekannter‹.«
    Lobsang lachte. »Wie Sie wollen. Da liege ich mit meiner Einschätzung wohl falsch. Besser gesagt: Ich schwebe auf eine körperlose und höchst angenehme Weise falsch. Aber ich würde gerne Ihr Freund werden. Denn letztendlich möchten wir beide in jeder gegebenen Situation unbedingt herausfinden, wie der Hase läuft. – Außerdem halte ich Sie für ein besonders kostbares Individuum. Sie verfügen über die erforderliche Klugheit, Joshua – andernfalls hätten Sie in der Langen Erde nicht so lange allein überleben können. Es mag andere geben, die klüger sind als Sie, die stapeln sich in den Universitäten bis zur Decke und erreichen dort wenig oder nichts. Klugheit muss jedoch ebenso in die Tiefe wie in die Länge gehen. So manche Klugheit streift nur die Oberfläche eines Problems. Eine andere Klugheit mahlt ausgesprochen langsam, wie die Mühlen Gottes, und sie mahlt sehr fein, und wenn sie schließlich eine Antwort präsentiert, dann hat diese Hand und Fuß. So ist es bei Ihnen, Joshua.« Lobsang lachte wieder.
    »Mein Lachen ist übrigens keine Aufzeichnung. Jedes Lachen ist ein einzigartiges Produkt des Augenblicks und unterscheidet sich nachweislich von jedem anderen Lachen, das ich je ausgestoßen habe. Dieses Lachen eben war nur für Sie. Es war menschlich. Ich bin immer noch ein Mensch. – Wir sollten einander besser kennenlernen, Joshua. Ich möchte Ihnen helfen. Natürlich will ich auch, dass Sie mir helfen. Mir fällt niemand ein, den ich lieber auf die Expedition mitnehmen würde, die ich gerade vorbereite. Eine Expedition, bei der es darum geht, sehr weit zu wechseln, in Welten, in die noch nie ein Mensch zuvor gewechselt ist. Ich könnte mir vorstellen, dass Ihnen so ein Abenteuer sehr gefallen würde. Sie halten sich doch gerne am grünen Rand der Erde auf, Joshua, habe ich recht?«
    »Bei Thomas Hardy ist es der grüne Rand der Welt.«
    »Aber ja doch. Ich halte es für angebracht, hin und wieder einen kleinen Fehler einzubauen, damit ich nicht allzu allwissend

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