Die Lange Erde: Roman (German Edition)
Ihrer Stelle, Caroline, würde ich Ihren festen Freund – wenn Sie der Meinung sind, dass er etwas taugt –, sofort heiraten und dann abhauen, einfach in eine andere Welt gehen. Bloß nicht hierbleiben.« Er ließ sich in seinen Sessel fallen und schloss die Augen. »Möge Gott England und uns allen helfen.«
Sie wusste nicht genau, ob er wach war oder schon schlief. Schließlich stahl sie sich hinaus und nahm Hermiones verwaisten Block mit.
11
S chon eine Woche nach ihrer Besprechung mit Clichy fingen Janssons Kollegen an, sie »Spooky« Jansson zu nennen.
Nach einem Monat hatte sie einen Termin im »Heim« ausgemacht, wie Joshua es genannt hatte. Es war ein Waisenhaus, ein abgewirtschafteter umgebauter Sozialwohnblock am Allied Drive, in einem ziemlich heruntergekommenen Viertel von Madison. Man sah allerdings sofort, dass das Haus gut in Schuss gehalten wurde. Dort traf sie sich, in aller Verschwiegenheit, mit dem vierzehnjährigen Joshua Valienté. Sie hatte Joshua versprochen, dass er, wenn er sich zu einer Zusammenarbeit mit ihr bereit erklärte, von niemandem als Problem angesehen würde, sondern als jemand, der womöglich eine große Hilfe sein konnte. Vielleicht so wie Batman, weißt du?
So kam es, dass sich Joshuas Leben mehrere Jahre nach dem Wechseltag in eine bestimmte Richtung entwickelt hatte.
*
»Das kommt Ihnen jetzt bestimmt schon sehr lange her vor«, sagte Selena mit weicher Stimme und führte Joshua tiefer in den transEarth-Komplex hinein.
Er blieb ihr die Antwort schuldig.
»Dann sind Sie also zum Helden geworden. Hatten Sie auch einen Umhang?«, fragte Selena.
Joshua war kein Freund von Sarkasmus. »Ich hatte eine Öljacke für Regentage.«
»War nur ein Scherz.«
»Weiß ich.« Vor ihnen öffnete sich die nächste verbotene Tür. Ein weiterer Korridor tat sich auf.
»Fort Knox ist das reinste Sieb dagegen, was?«, kommentierte Selena nervös.
»Fort Knox ist heutzutage das reinste Sieb«, erwiderte Joshua. »Die haben nur Glück, dass die Leute die Goldbarren nicht per Hand raustragen können.«
Sie rümpfte die Nase. »Ich habe nur einen Vergleich gezogen, Joshua.«
»Ja. Weiß ich.«
Sie blieb stehen. Die Art und Weise, wie er mitten in dieser Antwort eine kleine Pause gemacht hatte, war unangenehm, wo sie doch nur ausdrücken wollte, dass diese Sache mit den Wechselwelten sogar jetzt noch ziemlich angsteinflößend sein konnte. Für Joshua anscheinend nicht. Sie zwang sich zu einem kurzen Lächeln. »Ich begleite Sie nur bis hierher, zumindest jetzt. Ich darf nämlich nicht zu nahe an Lobsang heran. Das ist nur sehr wenigen Menschen erlaubt. Ich weiß, dass Lobsang über Ihre Schwierigkeiten mit dem Kongressgutachten sprechen will, bei dem es um Ihren früheren Ausflug in die entfernteren Wechselwelten geht.«
Natürlich fischte sie im Trüben, aber Joshua vermutete, dass es sich dabei letztendlich um das besagte Druckmittel handelte, mit dessen Hilfe Lobsang ihn zu rekrutieren hoffte.
Er sagte nichts dazu, und sie konnte seine Reaktion nicht einschätzen.
Sie führte ihn in den dahinterliegenden Raum. »Schön, Ihnen mal persönlich begegnet zu sein, Joshua.«
»Dann wünsche ich Ihnen die Sicherheitseinstufung, die Sie sich so sehnlichst wünschen, Selena«, erwiderte Joshua.
Selena starrte auf die sanft zuklappende Tür. Sie war sicher, dass sich sein ausdrucksloses Gesicht im letzten Moment zu einem Lächeln verzogen hatte.
Das Zimmer innerhalb dieses festungsartigen Allerheiligsten war eingerichtet wie das Arbeitszimmer eines Gentleman aus der Zeit Edwards VII., inklusive des im Kamin lodernden Holzfeuers. Es war allerdings nur ein künstliches Feuer, und das nicht mal völlig überzeugend, zumindest nicht für Joshua, der in der Wildnis jeden Abend ein echtes Feuer anzündete. Das Leder des Sessels jedoch, der einladend neben dem Kamin stand, war echt.
»Guten Tag, Joshua«, sagte eine Stimme aus der Luft. »Bedauerlicherweise können Sie mich nicht sehen, aber es ist tatsächlich auch nicht viel von mir hier, was man sehen könnte. Und das, was hier ist, wäre garantiert ein sehr langweiliger Anblick.«
Joshua setzte sich in den Sessel. Eine Weile herrschte Schweigen, ein beinahe kameradschaftliches Schweigen. Neben ihm knackte das Feuer. Es knackte künstlich. Wenn man auf bestimmte Knack- und Knistersequenzen achtete, stellte man fest, dass die Tonspur alle einundvierzig Sekunden wiederholt wurde.
»Ich hätte wirklich etwas mehr Mühe darauf verwenden
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