Die Lange Erde: Roman (German Edition)
ein geradezu klassisches Missverständnis in der ökonomischen Realität des neuen Zeitalters.
»Wenn ich richtig informiert bin, Mr Russo, stellt es für Sie ein ziemliches Problem dar, den Profit, den Sie erwirtschaften, mit dem Druck auf Ihre Arbeitskräfte in Einklang zu bringen.«
Er lächelte unbeschwert, war auf die Frage vorbereitet. »Ich errichte hier keine Pyramiden, Sergeant Jansson. Ich peitsche keine Sklaven aus.«
Ebenso wenig leitete er hier eine philanthropische Stiftung, wie Jansson wusste. Die Arbeiter, von denen die meisten jung und schlecht ausgebildet waren, hatten oft keine rechte Vorstellung davon, was es bedeutete, in der Langen Erde zu arbeiten, ehe sie hierherkamen und an Orten wie diesem schuften mussten. Sobald sie erkannten, dass sie ihre Arbeitskraft auch dazu benutzen konnten, sich selbst etwas aufzubauen, bemühten sie sich, für andere Gesellschaften tätig zu werden, und machten sich früher oder später auf und davon, um irgendeinen anderen Landstrich zu kolonisieren. Oder es dämmerte ihnen, dass es dort draußen unendlich viele Welten gab, die nicht schon jemandem wie Russo gehörten, und sie gingen einfach weg, irgendwohin in den grenzenlosen Raum. Manche Leute schienen ziellos immer weiter zu spazieren, sie lebten, so gut es ging, von der Hand in den Mund. Das nannte man das Lange-Erde-Syndrom. Genau von solchen Leuten stammten die Beschwerden über Russo. Angeblich fesselte er seine Arbeiter mit Knebelverträgen an sich, um sie am Weglaufen zu hindern, und falls sie nicht Wort hielten, ließ er sie von angeheuerten Schlägern verfolgen.
Jansson spürte sofort, dass dieser Mann scheitern würde, so wie schon etliche Male zuvor. Und wenn die ganze Sache ins Kippen geriet, würde er an noch mehr Ecken und Enden sparen müssen.
»Mr Russo, wir müssen uns genauer über die Anschuldigungen gegen Sie unterhalten. Können wir hier irgendwo unter vier Augen sprechen?«
»Aber natürlich …«
Jansson wusste, dass in allen Welten ringsum, auf denen über Nacht solche Ausbeuterbetriebe entstanden, die Menschen von Flucht und Freiheit träumten. Während sie auf einen Kaffee wartete, erblickte sie in Russos Eingangskorb einen Flyer, nur eine Seite, recht primitiv auf grobes Papier gedruckt, der darüber informierte, dass sich schon bald wieder eine neue Gemeinschaft auf den Weg nach Westen machen würde. Träume von unerschöpflichem Neuland, sogar hier im Büro dieses unbedeutenden Geschäftsmannes. Manchmal fragte sich Jansson, die inzwischen auf die vierzig zuging, ob sie nicht einfach alles stehen und liegen lassen, sich selbst auf den Weg machen und die Datum-Erde und die immer schmuddeliger werdenden Nahen Erden einfach hinter sich lassen sollte.
14
T räume von der Langen Erde. Träume von neuem Grenzland. Ja, zehn Jahre nach dem Wechseltag hatte es Jack Green begriffen. Weil es die Träume seiner Frau gewesen waren und Jack befürchtet hatte, dass sie seine Familie auseinanderreißen würden.
1.Januar. Madison West 5. Wir sind nach Weinachten Weihnachten zu Hause hier über Silvester in einer Hütte untergekommen, aber wir müssen wider wieder zur Datum zurück und dort zur Schule gehen. Ich heiße Helen Green. Ich bin ölf elf Jahre alt. Meine Mutter (Dr Tilda Lang Green) sagt, ich soll ein Tagebuch füren führen in diesem Heft hier, das ich als Weihnachts geschänk geschenk von Tante Meryl bekommen habe, weil es villeicht vielleicht keine elektronischen Gerähte Geräte gibt dieses Ding hat keine Rechtschreibprüfung es macht mich noch WAHNSINNIG!!!
Jack Green blätterte langsam durch das Tagebuch seiner Tochter. Es sah aus wie ein dickes Taschenbuch, aber die Seiten bestanden aus dem groben Papier, das hier auf West 5 hergestellt wurde. Er war allein in Helens Zimmer, an einem strahlenden Sonntagnachmittag. Helen spielte draußen in der ParkZone Vier Softball. Auch Katie war draußen, er wusste nicht genau, wo. Tilda war unten und unterhielt sich mit dem Kreis von Freunden und Kollegen, die sie mit ihrer Idee, eine Gesellschaft zu gründen und gemeinsam nach Westen zu ziehen, neugierig gemacht hatte.
»… Weltreiche entstehen und vergehen wieder. Denkt nur mal an die Türkei. Die war früher ein gewaltiges Imperium, das kann man sich heute kaum noch vorstellen …«
»… schaut man als Angehöriger der Mittelklasse nach links, sieht man, wie die Aktivisten die Werte Amerikas untergraben, und schaut man nach rechts, sieht man, dass der freie Handel unsere
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