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Die langen Schatten der Erleuchtung

Die langen Schatten der Erleuchtung

Titel: Die langen Schatten der Erleuchtung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirti Peter Michel , Klaus-Jürgen Leimann
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sorgte der goldbehelmte Anblick der beiden auf der gewaltigen Maschine für Aufsehen, und viele Blicke folgten ihnen. Hanif winkte vom Rücksitz hoheitsvoll nach links und nach rechts. Und als Melinda die Harley unter der gewaltigen Kastanie in der Mitte des Marktplatzes von Kaltenkirchen abstellte, nahm Hanif seinen goldenen Helm nicht ab, da er sich mit ihm doch um einiges größer fühlte.
     
    „Hanif“, meinte Melinda, „das Beste ist, wir treffen uns in einer Stunde wieder bei meiner Maschine. So kann jeder sich angucken, was er will und braucht den anderen nicht im Auge zu behalten. Alles klar?“
     
    Hanif nickte und steuerte als erstes den nächsten Bierausschank an, während Melinda im Gewühl verschwand. Das Getümmel auf dem Flohmarkt erschreckte Hanif zuerst ein wenig und erinnerte ihn an den Sommerschlussverkauf mit dem anschließenden Aufenthalt im Krankenhaus. Aber gestärkt durch ein großes Bier, wagte er sich dann doch ins Gedränge. Als er an einen Bücherstand geriet, wurde sein Interesse gefesselt. Er nahm so manches Buch in die Hand und blätterte darin. Zum Schluss entschied er sich für eins mit dem Titel „ Zitate und Sprichwörter “. Er wollte schon weiter gehen, als ihm einfiel, auch noch ein Buch für Meister Jojo zu besorgen. Er nahm ein Herkunftstwörterbuch mit dem Untertitel „ Die Geschichte der Wörter von ihrem Ursprung bis zur Gegenwart “. Während sein eigenes Buch nur aus kurzen Sätzen bestand, schien ihm das Buch, das er Meister Jojo zugedacht hatte, in seinen langen Erklärungen eines Meisters würdig. Als er mit seinen Schätzen weiter ging, sah er eine große Wanduhr sich durch das Getümmel drängeln. Es war Melinda, die mühselig ihren Schatz vor dem Leib trug. „Weißt du was, Hanif“, meinte sie japsend, „wir tragen die Uhr jetzt zu einem Imbiss-Stand, dort essen und trinken wir etwas. Und dann schleppen wir das Ding zum Motorrad und fahren wieder nach Hause!“
     
    Die Leute in Kaltenkirchen hatten auf ihrem Flohmarkt schon mancherlei an Merkwürdigkeiten erlebt, doch diesen beiden Figuren folgten zahlreiche Blicke auf ihrem Weg zum Würstchenstand. Als sie dann gestärkt die Uhr zum Motorrad schleppten, war es schon spät am Nachmittag. Hanif musste auf dem Rücksitz Platz nehmen, dann schnallte ihm Melinda mit ein paar Gurten die Uhr auf den Rücken. „Du brauchst keine Angst zu haben, dass du von der Maschine fliegst, Hanif! Ich fahre langsam!“
     
    Und so tuckerte dieses seltsame Gefährt über die Landstraße in Richtung Hamburg. Es sah so aus, als lehnte sich ein schmächtiger, goldbehelmter Mann auf einem gewaltigen Motorrad gegen einen überdimensionalen Rücksitz. Melinda parkte ihre Maschine in der Tiefgarage ihres Wohnhauses. Sie hatten noch einige Mühe, die Uhr in Melindas Wohnung zu transportieren. Doch als sie eine Stunde später beim Bier auf dem Sofa saßen, tickte die Uhr schon gemächlich, und ihr Pendel schwang gleichmäßig hin und her. Es sollte die erste Nacht sein, in der Hanif nicht nach Hause zurückkehrte.

Der einzige Unterschied zwischen einem Heiligen
    und einem Sünder ist der, dass der Heilige
    eine Vergangenheit und der Sünder eine Zukunft hat.
    Unbekannt

Der Heilige Hanif oder wie man mit Kräuterlikör und bunten Bildern zur Fruchtbarkeitsikone wird.
    Jutta winkte ganz aufgeregt mit einem „Airmail Registration Letter“ aus Indien, den ihr der Postbote gerade ausgehändigt hatte.
     
    „Soll ich Euch den Brief von Hubertus und Mathilda vorlesen? Endlich haben wir ein Lebenszeichen von ihnen – ich kann´s kaum erwarten!“, drängelte Jutta nach dem Frühstück, bei dem alle außer Jojo und Hanif noch um den Tisch saßen.
     
    „Also, ich fang mal an: Ihr Lieben zuhause im fernen Hamburg! Wie es euch wohl gehen mag mit unseren beiden Eremiten Hanif und Jojo?
    Mathilda und mir ist es anfangs schwer gefallen, uns an das öde Höhlenleben, fernab von allen Annehmlichkeiten der Zivilisation, zu gewöhnen. Nie hätten wir gedacht, dass der Verzicht auf das Vertraute und Selbstverständliche so schmerzlich sein würde! Der alltägliche Trott in der WG, die vielen kleinen Dramen, selbst die unnötigen Streitereien ums Kochen, Putzen und den Abwasch – wir hätten nie geglaubt, dass uns das einmal fehlen würde; nicht nur unsere Festgelage bei Costa nach den Heimspielen von Pauli…. –
    Doch nun ist langsam etwas Frieden in uns eingekehrt. Wir haben es uns in unserer Klause gemütlich gemacht und fangen an, die

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