Die langen Schatten der Erleuchtung
setzten sich zu Jutta und Marlies auf die Terrasse. „Ja“, ergänzte Marlies, „und unser Hanif sieht aus wie ein Späthippie!“
Jojo blickte sie beide strahlend hinter seiner Brille an: „Ich muss euch sagen, Marlies und Jutta, ihr beide seid sehr, sehr schöne Frauen!“
Mit Steckenpferden ist das so eine Sache.
Entweder du reitest sie oder sie reiten dich.
Unbekannt
Flohmarkt oder wie Hanif den Ritter mit dem Goldhelm macht.
Es war Sonnabend. Pauli hatte dieses Wochenende ein schweres Auswärtsspiel. Man saß einträchtig bei Käthchen auf der sonnigen Terrasse und fiel über Haralds Köstlichkeiten her. „Ehrlich gesagt, Harald“, meinte Gary, „manchmal denke ich, du bist ein langweiliger Spießer, aber eins muss man dir lassen: Kochen kannst du! Du könntest glatt ein Lokal aufmachen. Ich wäre dein Stammgast!“ Gary hatte dabei seinen Arm lässig um Lissys Schultern gelegt, die nun auch schon die erste Bräune seiner Sonnenbank zeigte. Harald lächelte gequält: „Also, Gary, an Motivationskünsten übertriffst du sogar noch meinen Abteilungsleiter! Und das soll schon etwas heißen!“
Die Idylle wurde durch mehrere gewaltige Fehlzündungen von der Straße her gestört. Alle Blicke folgten der stattlichen Frau in dunkler Ledermontur, die eine gewaltige Harley mit riesigen Satteltaschen vor der Gartenpforte abstellte. „Ist das eine geile Maschine!“, staunte Lissy.
„Ist das eine geile Tante!“, staunte Gary.
Die eindrucksvolle Gestalt nahm ihre golden glänzende Kopfbedeckung ab, die wie bei den Helmen der freiwilligen Feuerwehr über einen ledernen Nackenschutz verfügte. Aus der Satteltasche entnahm sie einen weiteren Helm der gleichen Art. Dann öffnete sie zum Erstaunen aller die Gartenpforte und schritt selbstsicher wie ein kampferprobter Ritter auf die Terrasse zu. Hanif war aufgesprungen und meinte fassungslos: „Du, Melinda?“ Dann drehte er sich zu den anderen um und stammelte: „Das…das…das…ist....Mel..mel..linda! Sie ist..... meine..... Freundin!“
Die Überraschung war vollkommen. Jojo schmunzelte hinter seiner Brille: „Hallo, Mel..mel..linda!“ Und zu den anderen gewandt: „Hanifs Freundin ist wahrhaft umwerfend!“
Melinda schwang sich rittlings auf die Balkonbrüstung und grüßte mit rauchiger Stimme in die Runde: „Hallo, Leute, lasst euch nicht stören. Ich wollte nur Hanif abholen! Dann seid ihr mich wieder los! – Und du, Hanif, zieh dir was Warmes über, auf dem Motorrad ist es zugig. Nicht, dass du mir krank wirst. Hier, setz das auf!“ Damit warf sie ihm spielerisch den goldenen Sturzhelm zu.
„Willst du einen von meinen selbst gestrickten Pullovern anziehen, Hanif?“, schaltete sich Vera besorgt ein. Hanif nickte dankbar, und wenig später steckte er in einem grobmaschigen Pullover, der auch noch sein Gesäß in raue, dicke Wolle einhüllte. Mit seiner verspiegelten Sonnenbrille und dem goldenen Helm wirkte Hanif wie eine Gestalt, die sich aus einem Gemälde von Rembrandt in die Gegenwart verirrt hatte. An der Seite von Melinda stakste Hanif o-beinig in seinen Cowboystiefeln zur Harley. Gebannt starrten alle auf die Szene, als Hanif hinter Melinda auf den Sozius kletterte. Das Dröhnen der startenden Maschine ließ die Fensterscheiben von Käthchens Zimmer vibrieren. Melinda fuhr die Straße gemächlich rauf und wendete. Als sie wieder die Gartenpforte passierte, ließ sie noch einmal den Motor kurz aufbrüllen wie ein Löwe. Das Letzte, was sie schemenhaft wahrnahmen, war ein winkender Hanif auf dem Rücksitz, der den anderen Arm um Melindas üppigen Leib geschlungen hatte.
Alle schauten sich ratlos an. „Wie kommt Hanif bloß an so eine Braut, Jojo!“, konnte sich Gary nicht verkneifen.
Melinda steuerte ihre Harley über die Landstraßen nach Kaltenkirchen, einem kleinen Städtchen vor den Toren Hamburgs. Auf halber Strecke, hielt sie die Maschine an und wechselte bei laufendem Motor mit Hanif die Plätze. Furchtlos wie ein Kind auf einem Kirmeskarussell kurvte der schmächtige Hanif das mächtige Motorrad jetzt von der Landstraße in eine lang gezogene Allee mit Buchen. Kurz vor dem Ziel übernahm Melinda wieder das Steuer.
In Kaltenkirchen fand jeden ersten Sonnabend im Monat ein Flohmarkt auf dem Marktplatz statt. Neben ihrem Motorrad hatte Melinda noch ein weiteres Hobby, um Erholung von ihrem aufreibenden Berufsleben zu finden: alte Wand- und Standuhren. Auf der Fahrt zum Marktplatz
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