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Die langen Schatten der Erleuchtung

Die langen Schatten der Erleuchtung

Titel: Die langen Schatten der Erleuchtung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirti Peter Michel , Klaus-Jürgen Leimann
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unerschöpfliche Fülle der Natur auf uns wirken zu lassen. Trotz all der buntschillernden, paradiesischen Pracht des Dschungels waren am Anfang unsere Sinne gar nicht in der Lage, all das wahrzunehmen – unsere Augen und Ohren waren wie verschlossen. Vor allem machte uns die drückende Hitze am Tage mächtig zu schaffen, und wir konnten uns nur im Schatten der Höhle aufhalten. Da gab es außer Lesen, Schlafen, Essen und Meditieren nicht viel Abwechslung und Zerstreuung. Und des Nachts wölbte sich der sternenübersäte Himmel in seiner unergründlichen Weite und Stille über uns, dass wir es kaum ertragen konnten und uns befreit fühlten, wenn der Tag wieder anbrach. Doch allmählich scheint sich etwas zu verändern – das unsichtbare Undenkbare durchdringt uns hier wie der feine Duft der Magnolienblüten…...
     
    In den letzten Wochen bekommen wir öfters Besuch von jungen Pilgern. Eigentlich sind es übersättigte Hippies aus dem Westen, die irgendeinem Märchen aus 1001 Nacht entsprungen sind und wie heruntergekommene Maharajas mit Turbanen und perlenbestickten Schnabelschuhen herumlaufen. Neulich tauchte John, ein verstörter, bärtiger Amerikaner mit langen, blonden Haaren im Jesus-Look auf, der uns heimlich aus Milster gefolgt war. Er bettelte inbrünstig um eine magische Tinktur oder ein machtvolles Mantra, das seinen „animalischen Magnetismus“, wie er es nannte, stärken solle. Er erzählte uns in dem Zusammenhang eine merkwürdige Geschichte von einem hier in der Region hochverehrten Schutzpatron der Männer, die ihre sexuelle Kraft stärken wollen, um viele Nachkommen zu zeugen.
    Und nun wird die Geschichte schon etwas unheimlich, weil die Einheimischen den John und einige andere übergeschnappte Typen zu unserer Höhle geschickt haben. Sie sagen, dass ihr Volksheld - und nun haltet euch fest - Hanif Pagalparam heißt: …wie unser Hanif. Das kann doch kein Zufall sein! Er soll vor fünfzehn Jahren der Welt entsagt haben und seitdem mit Meister Jojo in der Höhle zusammenleben. Einige der Pilger glauben, dass Hanif Pagalparam geheime tantrische Praktiken beherrsche, die im weltlichen Leben zu höchster Erfüllung führen würden. John hält mich für Hanif, darum ist er uns gefolgt. Als ich ihn dann über uns aufklärte, war er anfangs sehr enttäuscht. Doch er lässt nicht locker. Ich vermute, er denkt weiterhin, ich sei Hanif und wolle ihn nur abwimmeln.
     
    Mathilda und ich haben uns inzwischen in den Dörfern der Umgebung ein wenig umgehört, um herauszufinden, was es mit der Legende von Hanif Pagalparam auf sich hat. Alle bestätigten übereinstimmend, dass er in den 50iger Jahren ein fahrender Händler gewesen sei, der mit selbstgebranntem Zuckerrohrschnaps und mit bunten, anstößigen Zeichnungen aus dem Kamasutra umherzog. Die Männer rissen sich um die neuesten aphrodisiakischen Mittel aus seinem schier unerschöpflichen Sortiment.
    Ein Dorfbewohner in Hanifs Alter vertraute uns eine andere Version an: Es soll vielmehr so gewesen sein, dass der wesentliche Bestandteil seines Fruchbarkeitsrituals, das Hanif allein mit dem jeweiligen Ehepaar abhielt, sein selbst gebrannter Zuckerrohrschnaps mit einem geheimen Kräuterzusatz war. Hanif forderte zunächst die Ehemänner auf, reichlich davon zu trinken, was zur Folge hatte, dass sie in einen tranceartigen Glückseligkeitsrausch gerieten und von paradiesischen Festgelagen träumten. In Wirklichkeit waren sie aber über Nacht außer Gefecht gesetzt. Nur wenigen Ehefrauen gelang es, sich Hanifs Charme und seinen weiterführenden Fruchtbarkeitsriten zu entziehen, da sie selbst auch das eine oder andere Glas des köstlichen Zaubertrankes zu sich genommen hatten. Den gehörnten und ahnungslosen Ehemännern, die anderntags aus ihrem Rausch erwachten, verhalf Hanif mit anschaulichen Bildern und einer detaillierten Anleitung zu einem erfolgreichen Geschlechtsverkehr, dessen Früchte dann auch nicht mehr lange auf sich warten ließen. Keiner von ihnen kam auf den Gedanken, dass ein anderer als er selbst der Verursacher der Schwangerschaft seiner Frau hätte sein können. So wurde Hanif dann auch häufig nach der Geburt eines Kindes von den stolzen Vätern eingeladen, die ihn geradezu verehrten, aber mehr noch seinen Zuckerrohrschnaps. Viele der Kinder wurden auch zu Ehren des Schutzpatrons mit dessen Namen gesegnet. Verwunderlich fanden es einige der Dorfbewohner schon, dass im näheren Umkreis immer häufiger Kinder mit einer leichten Neigung zu

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