Die langen Schatten der Erleuchtung
das erste Mal wie eine Trophäe in dieser Runde präsentierte, „aber man muss das auch als Information sehen – das gehört zur Allgemeinbildung. Der Sport, die neuesten Nachrichten, die großartigen Shows und all das andere!“ Giaccomo hatte dabei die Arme weit ausgebreitet, als würde er gerade eines seiner Produkte aus dem Kaufhaus anpreisen. Er war ein Bild von einem Mann, und das gut sitzende Jackett tat sein übriges. „Das Fernsehen ist einfach ein außerordentlich wichtiger Bestandteil unserer Realität!“
„Nun gut“, lenkte Jojo ein, „aber warum verbringt ihr so viel Zeit eures Lebens vor diesem Gerät? Und dann habt ihr noch zusätzlich Kinos und Läden, in denen ihr euch Filme ausleihen könnt! Wenn man so sehr nach ständiger Unterhaltung verlangt, bedeutet das nicht, dass das eigene Leben wenig unterhaltend ist?“
„Das siehst du alles viel zu eng, Jojo“, schaltete sich jetzt Jutta ein, „was wir alle wollen, ist ein wenig Spaß nach einem anstrengenden Arbeitstag! Wir legen das alles nicht so auf die Goldwaage. Was uns Spaß macht - das ist in Ordnung!“
„Nun, ich bin auch dafür, sich des Lebens zu erfreuen. Aber wenn ihr mich fragt: Es kommt mir so vor, als würdet ihr euch hinter all diesen Bildern und Tönen vor etwas verstecken! Gibt es hier bei euch denn keine Menschen, die einfach nur so aus sich selbst heraus glücklich sind – ohne unterhalten werden zu müssen?“
„Das ist schwer, besonders wenn man älter wird – zum Beispiel meine Mutter…“, mischte sich jetzt Harald ein, „Das Fernsehen hat auch etwas Gutes - meine Mutter ist nicht mehr die Jüngste. Viele ihrer Freundinnen sind inzwischen verstorben, meinen Vater hat sie vor zehn Jahren schon verloren. Und ich kann sie auch nicht jeden Tag besuchen. So vertreibt sie sich die Zeit mit dem Fernsehen. Dann fühlt sie sich nicht so einsam! Und das ist doch gut so, oder?“
„Das Alleinsein ist eine Tatsache“, antwortete Jojo, „eine Tatsache, der kein Lebewesen entgehen kann. Es nützt nichts, wenn wir uns vor unserer Einsamkeit und unserem Alter verstecken wollen. Der einsame Mensch, der am Abend seinen Fernseher ausmacht, glaubst du, Harald, dass er anschließend das Gefühl hat, die Einsamkeit überwunden zu haben? Wird sie ihm nicht vielmehr noch stärker bewusst werden? Das Beste wäre es, sie zu akzeptieren und nicht vor ihr zu fliehen. Es ist wie mit dem Tod - dem können wir auch nicht entfliehen, wie wir alle wissen. Doch die Menschen hier scheinen alles daran zu setzen, das zu verdrängen. Was an ihnen durch das Alter weiß geworden ist, färben sie. Sie malen sich die Farben der Jugend ins Gesicht, ihr nennt es wohl Schminken! Doch das Alter und der Tod lassen sich dadurch nicht abschütteln. Mit dem Alter und dem Tod kann man nicht handeln! “
„Aber ist es nicht irgendwie langweilig, Jojo“, meldete sich jetzt Marlies zu Wort, „auf all diese Dinge verzichten zu wollen? Wie fühlst du dich denn dabei?“
„Einfach lebendig, wie aus einem Guss! Der eigentliche Tod ist die Langeweile selbst“, antwortete Jojo ohne nachzudenken, „Hanif hat mir ein wunderbares Buch vom Flohmarkt mitgebracht, in das ich manchmal schaue. Es ist ein Buch über die ursprüngliche Bedeutung eurer Wörter. So sagt ihr zum Beispiel, ihr würdet euch zerstreuen , wenn ihr Fernsehen schaut oder Musik hört. Ihr zer-streut euch in der Tat in viele tausend Teile und lenkt euch von der Wirklichkeit ab. Daher die Langeweile und die Leblosigkeit!“
Vera schaltete den Fernseher ab. „So jetzt habe ich aber genug, Jojo“, meinte sie, „jetzt hast du es ihnen allen richtig gegeben, nicht?!“
„Es tut mir leid“, meinte Jojo lächelnd, „dass die Unterhaltung jetzt so ernst geworden ist. Darum erzähle ich euch jetzt eine lustige Geschichte aus meinem Heimatdorf, als ich noch ein Kind war: Dort lebte ein Mann namens Masta, den sie alle für einen zurückgebliebenen Idioten hielten. Eines Tages kam ein Fremder auf den Dorfplatz und erzählte eine lange Geschichte, die unterhaltsam und witzig sein sollte. Masta lauschte aufmerksam. Aber der Fremde redete so langatmig und verschwommen, dass dabei sogar die Pointe unterging. Niemand lachte außer Masta, der sich gar nicht mehr beruhigen konnte. Warum hast du so gelacht, Masta? , fragte ich ihn, nachdem der Fremde gegangen war. Das mache ich immer so , antwortete Masta, denn wenn du nicht lachst, besteht die Gefahr, dass er die
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