Die langen Schatten der Erleuchtung
verwegen. Allerdings muss ich die Rosen erst einmal ins Wasser stellen! , kehrte er zu gewohnter Sachlichkeit zurück.
Es war 16.30 Uhr, als Haralds Handy klingelte. Marlies war dran. „Schatz, ich stehe hier im Elbtunnel, es gibt hier einen kleinen Stau. Aber ich bin sicher, das wird nicht lange dauern. Ich bin bald zuhause!“
Marlies wusste zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass gerade ein übernächtigter dänischer Truckfahrer in ihrer Röhre des Elbtunnels seinen Sattelschlepper gegen die Wand gesetzt hatte. Glücklicherweise gab es keine Toten, sogar der Fahrer hatte den Unfall unverletzt mit einem Schock überstanden. Doch der Sattelschlepper war rettungslos in der Röhre verkeilt. Die Polizei forderte schweres Bergungsgerät an. Es würde eine Sache von Stunden werden, da waren sich die Fachleute einig.
Um 17.30 Uhr war Harald noch guter Dinge, als er sich den ersten Weinbrand einschenkte. Er blickte auf den üppigen Dschungel der fünfzig Baccara-Rosen auf Marlies´ Nachttisch und redete sich gut zu: „Vier Stunden hat mir Dr. Kicoka versichert. Also noch jede Menge Zeit!“
Es war genau 19.15 Uhr, als sich Marlies das letzte Mal über Handy meldete. Harald war beim dritten Cognac, da fühlte er, wie langsam sein pralles Hochgefühl wieder abschwoll. „Mein Schatz“, meinte sie, „das geht hier gleich weiter. In einer halben Stunde bin ich bei dir. Dann können wir noch schön essen gehen! Es ist ja noch nicht so spät!“
Noch weilt Ihr hier und ich bin hin,
bald seid Ihr dort, wo ich schon bin.
Antiker Grabspruch
Käthchens Abgang oder wie das Licht des geöffneten Kühlschranks ihr heimleuchtete.
Käthchen und Marlies waren am Ende der zweiten Woche ihrer Fastenkur angelangt. „Eigentlich muss man dabei auch wandern, Käthchen“, hatte Marlies noch einmal erinnert, „sonst bauen sich die Muskeln ab und nicht das Fett!“ Beiden war jedoch klar, dass Käthchen es nicht mit ihrer Gehhilfe bringen würde. So waren sie auf das Hallenbad „Hohe Eiche“ ausgewichen, das auch noch über eine Sauna verfügte.
Es war Freitag. Vera und Jutta saßen in der Küche. „Seitdem Käthchen nun überhaupt nichts mehr isst“, meinte Vera, „quillt unsere Haushaltskasse regelrecht über. Was ich immer schon gesagt habe - wir alle zusammen haben die Fressorgien von Käthchen mitfinanziert. Bei Marlies ist es ja nur die Schokolade, die hat sie sich aber immer von ihrem Geld gekauft. Aber Käthchen ist ja die typische Allesfresserin, die hat uns alle finanziell ganz schön ausgelutscht! Jedes Jahr mussten wir die Beiträge zur Haushaltskasse erhöhen! Ich habe sie mit meinem sauer verdienten Geld gemästet!“
Jutta nickte. „Und darum sollten wir uns jetzt auch ´mal alle was Vernünftiges gönnen, Jutta! Was hältst du von einer erstklassigen Fischplatte morgen zum Brunch. So mit Aal, Lachs, Stör, Scampis und ´ner Dose Kaviar! So richtig satt von allem! Und auch Sushi dabei! Dann kann sich Harald mal ein ruhiges Wochenende gönnen!“
„Das ist eine gute Idee! Giaccomo wollte morgen kommen, vielleicht kann er ja auch ´mal an unserem WG-Diner teilnehmen!?“
„Na, klar!“
Käthchen hatte schon 15 Kilo abgenommen. „Alles nur Wasser!“, meinte Vera abfällig. Käthchen sah blass und hinfällig aus. Aus dem lebensfrohen Wonneproppen war innerhalb von zwei Wochen eine aschgraue Nörglerin geworden. Sie saß in ihrem Stahlelement wie ein zerzauster Kanarienvogel bei offener Käfigtür, der sich nicht mehr hinaus traut. Marlies hingegen schwebte - vom Fasten vergeistigt - über allem. „Der Geruch von Fleisch und Fisch ist mir fast ein bisschen zu viel!“, flüsterte sie Käthchen zu. Aber Käthchen antwortete nicht, sie schaufelte ungestüm die abgekochte Gemüsesuppe in sich hinein. „Bei mir sind es immerhin auch schon fast 7 Kilo!“, betonte Marlies.
„Ich muss wirklich sagen, mein Schatz“, blickte Harald mit fettigen Fingern von seinem geräucherten Aal hoch, „du siehst echt zehn Jahre jünger aus! Aber nun reicht es auch bald, übertreibe es bitte nicht!“
„Eine Woche werde ich noch fasten, Harald, und dann meine Ernährung umstellen. Ich will ja nicht wieder in alte Sünden verfallen!“
Käthchen hatte ihr Gemüsewasser ausgelöffelt und blickte grimmig auf die schon stark geplünderte Fischplatte. „Fisch soll ja gar nicht dick
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