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Die Lanze des Herrn

Die Lanze des Herrn

Titel: Die Lanze des Herrn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arnaud Delalande
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ohrenbetäubender Lärm. Er war allein mit dem Mann. Sein Angreifer hatte von ihm verlangt, die Wagentür nach außen zu öffnen. Sie fuhren dicht an Felsen vorbei, am Nilufer entlang, an Dörfern mit weißen, von Palmen umstandenen Häusern, an grünen Feldern, die an Dünen grenzten. Die Sonne ging unter. Die rote Kugel, so typisch für den Anbruch der Nacht in der Wüste, tauchte die Welt in unwirkliche Farben. Im Licht der sinkenden Sonne tanzten Sand und Staub, Licht und Schatten im schnellen Rhythmus des Zuges. Bäume und Telegrafenmasten an der Eisenbahnstrecke rasten vor Anselmos Augen vorbei. Er kochte innerlich, dass er sich so leicht hatte übertölpeln lassen. Wie hatte er nur so nachlässig sein können? Der Mann hinter ihm versuchte, ihn aus dem Zug zu stoßen. Anselmo spürte die Waffe in seiner Seite. Das Beste, was ihm passieren konnte, wäre, sich das Genick zu brechen. Im schlimmsten Fall… Er wandte leicht den Kopf, um die Gesichtszüge seines Gegners zu sehen.
    Auf Zeit spielen. Er musste um jeden Preis Zeit gewinnen.
    »Wer sind Sie?«, fragte er.
    Er musste schreien, um den Lärm zu übertönen.
    Der Mann antwortete nicht. Er begnügte sich mit einem Grinsen.
    »Arbeiten Sie für Axus Mundi? Wir wissen, was Sie vorhaben, hören Sie? Wir wissen, was Sie tun.«
    Während seiner Ausbildung an der Minerva war er der Beste in der indonesischen Kampfsportart Pencak Silat gewesen. Außerdem hatte er wie seine Kollegen heimlich Schießen und Zweikampftechniken mit Fallschirmjägereinheiten der italienischen Armee geübt. Es blieb ihm nichts anderes übrig, als sich jetzt aus der Patsche zu ziehen.
    Anselmo biss die Zähne zusammen, während der Mann sich seinem Ohr näherte und auf Deutsch sagte:
    »Auf Wiedersehen, Bruderherz. Sing schön: Näher mein Gott zu dir.«
    Anselmo spürte den festen Druck der Waffe an seiner Hüfte. Er wollte sich nicht mit dem Gedanken abfinden, dass es ihn nun endgültig erwischt hatte. Bilder der Wildentenjagd mit seinem alten Vater Pasquale stiegen vor ihm auf. Bereit, alles zu versuchen, ballte er wütend die Faust. Es war einfach zu absurd! Er hatte keinerlei Lust, die Rolle der Ente zu spielen.
    Da öffnete sich eine der Zwischentüren mit einem asthmatischen Seufzer. Mit weißer Schirmmütze, weißer Djellaba und Spitzbart stand freundlich ein rundlicher Schaffner vor ihnen.
    Jetzt ist es so weit, schoss es Anselmo durch den Sinn.
    Er ließ sich jäh mit gebeugten Knien fallen und drehte sich um sich selbst.
    Pencak Silat.
    Mit der Linken packte er den Vorderarm seines Gegners, mit der Rechten verpasste er ihm einen so heftigen Schlag, dass dieser seine Waffe fallen ließ. Dann kippte er ihn auf die Seite. Mit einem erstickten Schrei flog der Mann in hohem Bogen durch die offene Tür und krachte gegen einen Telegrafenmast. Danach war nur noch das entsetzliche Rattern der Räder zu hören. Anselmo richtete sich vor dem versteinerten Kontrolleur auf, dem die Zange aus der Hand gefallen war. Anselmo zog sein Jackett in Form und sagte leise mit verlegener Miene:
    »No ticket. No ticket.«
    Der Schaffner öffnete den Mund und brachte kein Wort heraus. Mit einem Stirnrunzeln legte Anselmo die Hände auf seine beiden Revolver.
    Er war aufs Neue der Jäger.
    ♦♦♦
    Das Licht ging wieder an.
    »Und jetzt an die Arbeit.«
    Professor Li-Wonk und seine Kollegen Ferreri und Sparsons zogen sich in ein Büro zurück. Auch seine Tür funktionierte schlecht. Die Wände des schlichten Raumes waren mit einem metallisch glänzenden blaugrauen Material verkleidet. Aus flackernden Neonlampen drang fahles Licht, das von den Generatoren der Anlage erzeugt wurde. Auch eine Telefonverbindung war vorhanden, deren Drähte abenteuerlich ummantelt nach oben führten. Der Koreaner nahm den Hörer ab. Er hatte das Telefon auf Raumton gestellt, damit seine Kollegen mithören konnten, wenn er mit Ernst Heinrich sprach, dem Herrn und Meister von Axus Mundi.
    »Wir sind bald so weit«, sagte der Koreaner. »Es läuft alles nach Plan.«
    Eine Weile herrschte Schweigen, ein schweres Atmen war am anderen Ende der Leitung zu hören. Dann ertönte die Stimme, die wieder aus den Tiefen der Erde zu kommen schien.
    Sie sprach langsam, jedes Wort betonend.
    »Effizienz ist alleroberstes Gebot, Herr Li-Wonk. Sie verstehen…«
    Obwohl Park Li-Wonk normalerweise nicht leicht aus der Ruhe zu bringen war, fühlte er sich immer unbehaglich in seiner Haut, wenn er vor seinem Auftraggeber Rechenschaft über den

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