Die Lanze des Herrn
That´s it.«
»Danke«, sagte der Koreaner Li-Wonk.
Professor Sparsons lächelte erneut, grüßte mit einem Kopfnicken und setzte sich wieder.
»You’re welcome.«
Professor Li-Wonk hüstelte, trank einen Schluck Wasser und sagte nach einer Pause:
»Da gibt es noch etwas.«
Sein Gesicht wurde ernst.
»Verfügten wir über keine anderen Daten als die oben genannten, könnte man uns entgegenhalten, dass das Experiment zum Scheitern verurteilt ist, weil bei zweitausend Jahre alten Fragmenten menschlicher DNA die Sequenzen beschädigt sein müssen. Das trifft in der Tat zu. Und eben das hatten wir befürchtet, selbst wenn es einem französischen Team 1995 gelungen ist, aus zwölftausend Jahre altem menschlichem Gewebe DNA zu gewinnen. Sie werden sich daran erinnern. Uns hat die Amplifizierung der vorhandenen DNA nur in die Lage versetzt, Vorhandenes zu reproduzieren, nicht fehlende Glieder der Kette zu ergänzen. Existierende Sequenzen zu kopieren, um damit Löcher zu stopfen, wäre ein Holzweg. Man kann nicht wiedererschaffen, was für immer verschwunden ist.«
Er legte professoral die Hände ineinander.
»Wir brauchen eine genetische Spur Christi? Aber wir haben sie doch. Originalzellen? Wir arbeiten daran. Aber die Reliquie ist natürlich, wie schon gesagt, durch die DNA von Bakterien verunreinigt – Pollen, Pilzen, unsere Eingriffe einmal ganz beiseite gelassen. Das Puzzle eines vollständigen Genoms zusammenzusetzen, ein synthetisches Genom zu schaffen, wäre das nicht reine Science-Fiction? In der Tat. Aber – die Analyse der ersten Proben des Archäologen Seltzner hat zu einer außerordentlich bedeutenden Entdeckung geführt. Sie hat unsere Förderer bei Axus Mundi dazu bewegt, alle Mittel einzusetzen, um die Lanze in unseren Besitz zu bringen.«
Wieder hielt er inne. Seine Augen hinter der rechteckigen Brille schienen jeden Mitarbeiter bis auf die Nieren zu prüfen. Nun gab er Professor Ferreri ein Zeichen. Der Italiener stand auf, kratzte sich an den Schläfen und begann mit einem singenden Akzent zu sprechen.
»Sie wissen, was ein Allel ist. Eine mögliche Variante eines Gens, bestehend aus einer Kette von Nukleotiden. Anders ausgedrückt, ein DNA-Fragment. Normalerweise hat eine Zelle zwei Allele von jedem Gen, da sie zwei Chromosomenkombinationen besitzt. Sind diese Allele identisch, bezeichnet man das Gen als homozygot. Sind die Allele aber verschieden, ist es heterozygot. Im letzteren Fall kann man sich zwei Möglichkeiten vorstellen. Wenn sich die Allele zur selben Zeit ausbilden, sind sie gleich stark. Wenn sich eines ausbildet, während das andere inaktiv bleibt, bezeichnet man das erstere als dominant, das andere als rezessiv. Ein einfaches Beispiel: Wenn der Vater ein Allel blaue Augen vererbt und die Mutter ein Allel braune Augen, hat das Kind braune Augen, da dieses Allel dominant ist.«
Professor Ferreri räusperte sich. Hinter ihm tauchte eine konventionelle Darstellung der DNA mit der typischen Form der Doppelhelix auf, bestehend aus zwei Basiselementen, deren unterschiedliche Verknüpfungen den genetischen Code darstellten. Das Molekül, in dem sich alles zu konzentrieren schien, was an der Schöpfung am geheimnisvollsten und göttlichsten war, schien plötzlich im Raum zu schweben, unter dem Gewölbe des Großen Saals.
»Die Allele bestimmen oft das Auftauchen verschiedener erblicher Merkmale. Nehmen wir die grundlegenden, wenn Sie gestatten. Die DNA eines Organismus ist einzigartig. Sie besitzt alle notwendigen Informationen, um alle zu ihrer Erhaltung, ihrem Wachstum und ihrer Vermehrung notwendigen Werkzeuge bereitzustellen. Dieser »Werkzeugkasten« besteht im Wesentlichen aus Proteinen. Die Übersetzung der DNA-Sprache in die Protein-Sprache schaltet den genetischen Code. Jeder Mensch besitzt eine einmalige Gen-Kombination und unterscheidet sich dadurch von anderen Menschen.«
Das war nichts Neues. Nun fuhr der Italiener fort:
»Der körperliche Ausdruck des Genoms, also die Gesamtheit seiner sichtbaren Eigenschaften, seine Form, seine Farbe etc., ist, wie Sie wissen, sein Phänotyp. So können Haare blond, braun oder schwarz sein. Der Phänotyp eines Individuums hängt vom Vorhandensein oder Fehlen bestimmter Proteine ab. Die Pigmentierung der Haut zum Beispiel hängt von dem braunen Pigment Melanin ab. Alle chemischen Reaktionen, die zu Melanin führen, werden durch ein einziges Enzym erzeugt. Wenn es fehlt, ist der betroffene Mensch ein Albino. Die DNA unterliegt auch
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