Die Lanze Gottes (German Edition)
Tränen der vergangenen Jahre und Janus verstand sie, denn er hatte viele Tränen Vorsprung.
Am nächsten Tag machte er sich auf den Weg, kam gut voran und erreichte schließlich die Ebene unterhalb des Klosterstiftes Quedlinburg. Gegenüber am Berg liegend tauchte die große Stiftskirche mit ihren beiden Türmen vor ihm auf. Je näher er dem Bauwerk kam, umso riesiger wirkte es auf ihn. Hinter einem kleinen Waldstück schlängelte sich der Weg den Berg hinauf zu dem erhabenen Gotteshaus. Schließlich sah er die Mauern des Klosterstifts vor sich. Janus saß ab und schlug mit der Faust gegen die große Holztür. Kurz darauf öffnete sich eine kleine Klappe. Eine junge Kanonissin schaute hindurch.
Wenigstens kein Mönch, dachte Janus, denn wann immer er in seinem Leben an Klosterpforten geklopft hatte, musste er an die Nacht damals im Wald mit seinem Vater denken und die Ohrfeige, die der Mönch ihm gab.
Die Kanonissin blickte ihn unfreundlich an. »Wer seid Ihr und was wollt Ihr?«
»Mein Name ist Janus von Esken und ich möchte zu Äbtissin Adelheid.«
»Die Äbtissin ist nicht zu sprechen«, bekam er zur Antwort.
»Nennt mir den Grund, ehrwürdige Stiftsdame.«
»Die Äbtissin ist krank und muss das Bett hüten. Sie empfängt niemanden.«
»Nun, dann komme ich morgen noch einmal wieder«, sagte Janus.
»Die Äbtissin hat schweres Fieber. Wir wissen nicht, wann sie wieder genesen wird. Das weiß nur Gott allein!«
Mit einem Krachen schloss sich die Klappe.
Janus war sich sicher, dass dies eine Lüge war. Warum ließ sich die Äbtissin verleugnen? Was sollte er jetzt tun? Er konnte sich kaum gewaltsam Eintritt verschaffen, also suchte er sich in einem Gasthaus unterhalb der Stiftskirche eine Unterkunft und versuchte es am nächsten Tag abermals. Doch wieder wies man ihn ab. Nach drei Tagen hatte er immer noch nichts erreicht. Am vierten Tag sagte man ihm, die Äbtissin Adelheid sei abgereist nach Gandersheim. Verzweifelt machte sich Janus unverrichteter Dinge auf den Rückweg nach Gleiberg.
Adela freute sich über die schnelle Rückkehr ihres Gatten, auch deshalb, weil sie erneut guter Hoffnung war, was sie ihm gleich nach seiner Ankunft freudestrahlend berichtete.
So vergingen die Monate und Janus fand keine Zeit, erneut nach Quedlinburg zu reisen. Er wollte seine Familie nicht schon wieder verlassen.
Der Frühling kam und seine Tochter wurde geboren. Janus fühlte sich unendlich glücklich, als Konstanze mit dem Säugling auf dem Arm ins Freie trat und ihm das Mädchen mit einem Strahlen auf dem Gesicht übergab. Er und Adela tauften sie auf den Namen Gertrud, nach Janus´ Mutter. Janus genoss das Glück, das Gott ihm seine wundervolle Frau und zwei gesunde Kinder geschenkt hatte. Auch in allem anderen war er recht erfolgreich. Eine gute Ernte im letzten Jahr und die Pferdezucht, die dank Johannes Wohlfarth ebenfalls gut lief, taten ihren Teil dazu.
Im Spätsommer des Jahres 1073 kündigte die Torwache das Eintreffen Hermanns an. Er kam mit seinem Gefolge direkt aus Goslar.
Am Abend saßen alle in der großen Halle beim Mahl.
»Nun, wie ist die Lage in Sachsen?«, fragte Janus neugierig.
Hermann runzelte die Stirn. »Nicht gut. Der König musste fliehen. Ich war bei ihm. Wir hatten Glück, mit dem Leben davongekommen zu sein.«
»Vater, was ist geschehen?«, fragte Adela entsetzt.
Hermann erzählte, die sächsischen Fürsten seien im Juni nach Goslar gekommen, um sich mit dem König zu treffen und auf die Missstände im Land hinzuweisen, doch der König habe sie nicht empfangen.
Janus blickte seinen Schwiegervater überrascht an. »Nicht empfangen? Wie konnte er das tun?«
»Otto von Northeim ist nicht dabei gewesen und der König hat gesagt, wenn er verhandeln würde, dann nur mit dem großen sächsischen Fürsten. Man solle das Fußvolk wegschicken.«
Janus schüttelte ungläubig den Kopf. »Diese Beleidigung haben die sächsischen Fürsten doch niemals auf sich sitzen lassen, oder?«
Hermann nickte. »Natürlich nicht. Wir mussten vor einem großen anrückenden sächsischen Heer auf die Harzburg fliehen, wo uns Otto von Northeim tagelang belagerte. In der Nacht vor dem elften Sonntag nach Sonntag Trinitatis gelang dem König, mir und einigen weiteren Getreuen die Flucht.«
Der Abend neigte sich dem Ende und Adela schickte sich an, schlafen zu gehen. Janus blieb noch eine Weile mit Hermann in der Burghalle. Im Kamin prasselte das Feuer und sie schwiegen. Janus dachte nach. Wer würde sich
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