Die Lanze Gottes (German Edition)
kleinen Häusern und Hütten unterhalb der Burg hinabging. Einige Handwerker und ein paar Bauern lebten hier. Das Haus von Konstanze lag gleich neben dem des Zimmermannes. Er klopfte an die Tür.
Konstanze öffnete ihm und lächelte. »Janus, welch eine Freude, komm herein!«
Er betrat das kleine Haus und schaute sich um. In der Mitte flackerte ein Feuer und Konstanze bat ihn, Platz zu nehmen. Janus ließ sich auf den Tierfellen nieder. Sie brachte ihm einen Becher Wein und setzte sich neben ihn. Eine Weile lang starrten sie beide in die Flammen. Schließlich fragte er: »Konstanze, warum willst du weiter hier in diesem ärmlichen Haus leben? Du könntest auf der Burg wohnen. Hermann und Adela hätten nichts dagegen. Du
bist meine Schwester und musst dein Leben nicht in Armut verbringen.«
Konstanze lächelte. »Wir haben schon oft darüber gesprochen, Janus, und dein Angebot ehrt mich, doch hier bin ich näher bei den Menschen, die mich brauchen. Außerdem kanntest du doch Asbirgs Zuhause, dagegen ist dieses Haus wahrlich ein Palas.«
Da hatte sie recht, trotzdem verstand Janus ihre Entscheidung nicht, auch wenn er sie akzeptierte. Seine Schwester erschien ihm zuweilen seltsam.
Er erzählte ihr von seinem Vorhaben. »Ich reite nach Quedlinburg und werde länger nicht in Gleiberg sein. Ich möchte, dass du auf Adela und Ruger achtgibst, jetzt wo auch Hermann und Notgar nicht da sind.«
Konstanze runzelte die Stirn. »Nach Quedlinburg? Was führt dich dorthin?«
Janus berichtete Konstanze von Adams Nachricht und dass die Spur der Lanze nach Quedlinburg wies. Sie schwieg eine Weile, dann stand sie auf, um einen neuen Scheit auf das Feuer zu legen. »Vielleicht solltest du nicht reisen, Janus.«
»Warum sagst du das?«
Seine Schwester atmete tief durch. »Es geht nicht viel Gutes von der Heiligen Lanze aus.«
Janus ärgerten ihre gotteslästerlichen Äußerungen. Zwar wusste er, dass sie, ebenso wie Asbirg, dem Christentum nicht zugetan war, doch erfreut darüber war er nicht gerade. Es war nicht das erste Mal, dass Konstanze abfällig über seinen Glauben sprach. »Wie kannst du das sagen? Sie ist die heiligste Kostbarkeit der Christen!«
»Asbirg hat mich gelehrt, dass kein von Menschen gemachtes Ding heilig ist. Die Götter leben in den Wolken, in den Bäumen und in den Wäldern, jedoch nicht in einem Speer«, sagte sie ruhig und starrte weiter in die Flammen.
Janus stand auf und ging langsamen Schrittes durch das kleine Haus. »Du weißt, dass ich es gern sähe, dass du dich taufen lässt, denn du bist die Tante des zukünftigen Erben von Gleiberg. Ich glaube, das bist du mir und auch Hermann schuldig«, sagte er streng und drehte sich zu ihr um.
Konstanze sprang auf und ihre Augen funkelten. »Ich bin niemandem etwas schuldig, Janus. Asbirg war der einzige Mensch, in dessen Schuld ich jemals stand, und sie ist tot!«
Janus hob beschwichtigend den Arm. »Ja, schon gut. Ich wollte dich nicht beleidigen, Konstanze. Bitte, setzen wir uns wieder.«
Vielleicht hatte Konstanze Recht, und es stand ihm nicht zu, etwas von ihr zu fordern, aber ebenso wenig durfte sie seinen Glauben verhöhnen. Was wusste sie schon von der Heiligen Lanze? »Ich respektiere deine Ansichten, Konstanze, aber ich erwarte, dass du auch die meinen respektierst. Für mich ist die Lanze heilig
und ich glaube, es ist mein Schicksal nach ihr zu suchen. Gott will es so.«
Konstanze fasste sich nachdenklich an die Stirn. »Es scheint, als ob wir beide das Erbe von Ulrich und Asbirg weiterführen. Der ewige Kampf der alten Götter mit dem Christentum.«
»Ja, es sieht fast so aus«, murmelte Janus.
»Asbirg erzählte mir immer, dieser Kampf habe auch in unserem Vater getobt.«
Janus nickte abermals.
»Wie war er?«, fragte sie.
»Wer?«
»Unser Vater.«
Janus dachte einen Moment nach. »Er war anders als ich, auch wenn viele sagen, ich sehe ihm ähnlich. Aber ich glaube, ich komme eher nach unserer Mutter. Du jedoch hast viel von ihm, Konstanze.«
Sie lächelte. »Erzähl mir von ihm!«
Janus berichtete Konstanze von ihrer Geburt und auch von seinen damaligen Gefühlen, und er erzählte ihr von dem Tag, als sie ihren Vater abholten. Als er endete, weinte Konstanze. Ihm wurde klar, dass sie um ihren Vater weinte, zum ersten Mal in ihrem Leben. Janus umarmte sie und versuchte ihr Trost zu spenden. Er hielt sie ganz fest und flüsterte: »Er wäre stolz auf dich gewesen.« Konstanze konnte nicht aufhören zu weinen. Sie weinte alle
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