Die Lanze Gottes (German Edition)
Lust mit Uhlmann zu streiten, obwohl er sich fragte, ob sein Freund nicht vielleicht die Wahrheit sprach. »Du hast zu viel getrunken«, antwortete er deshalb leise. Dann schlurfte er langsam zu seinem Schlaflager. »Gute Nacht, Uhlmann.«
»Du bist einer von ihnen«, hörte er Uhlmann rufen, »und deshalb wirst du hier niemals deine Freiheit finden, Janus von Esken!«
Janus legte sich hin, doch Uhlmanns letzter Ausspruch ließ ihn keinen Schlaf finden.
Am nächsten Tag zogen sie weiter nach Mainz, wo sie einige Tage später eintrafen und einen guten Lagerplatz in der Nähe des Marktes fanden. Janus schlenderte durch die Straßen. Morgen sollte der Markt eröffnet werden und die Händler waren emsig damit beschäftigt, ihre Stände aufzubauen. Es herrschte ein reges Treiben. Als die Sonne tief stand, kehrte Janus zur Lagerstätte zurück. Trommler, Uhlmann und Gotwig befanden sich bei anderen Spielleuten, die zu einem Zechgelage eingeladen hatten, Juliana war noch mit Sahra unterwegs.
Janus machte Feuer und setzte sich. Gedankenverloren schnitzte er an einer Flöte herum, als Rachel sich zu ihm setzte. Sie hatte irgendwo Wein aufgetrieben und reichte ihm den Schlauch. Janus bedankte sich und trank. Immer wieder blickte er verstohlen zu ihr hinüber. Wie so oft faszinierte ihn die Schönheit des Mädchens. Die Nächte, an denen er an sie gedacht und sie sich nackt vorgestellt hatte, konnte Janus schon nicht mehr zählen. Sie redeten eine Weile lang über den Markt und bald, ohne es zu merken, hatten sie den ganzen Wein geleert. Janus wurde etwas schwindlig. Er stand auf und stolperte. Rachel lachte. Und plötzlich stand sie neben ihm. »Komm, lass uns tanzen, kleiner Graf!« Sie nahm seine Hand und legte sie um ihre Taille, während ihre wundervollen Lippen ihn anlachten. Ausgelassen wirbelten sie zusammen um das Feuer. Dann zog Rachel ihn unvermittelt an der Hand ins Zelt. »Komm!«
Wortlos folgte er ihr. Sie streifte ihr Gewand ab und stand plötzlich nackt vor ihm. Fasziniert betrachtete Janus ihre Rundungen und zog sich hastig aus. Rachel ergriff seine Hand und zog ihn auf eine der Decken. Janus spürte die Weichheit ihrer Brüste, als sie ihn umarmte, und Rachels Zunge, die sich mit der seinen traf. Sein Atem beschleunigte sich und er spürte seine Erregung. Rachel zog ihn auf sich und er drang in sie ein. Schon nach ein paar Stößen ergoss er sich in ihren Schoß. Wenig später lagen sie schweigend nebeneinander und Janus streichelte Rachels nackten Rücken.
Er fühlte sich, als wären all die Träume seiner schlaflosen Nächte in diesem Augenblick wahr geworden.
Seit jenem Tag hatte sich etwas verändert. Rachel und Janus versuchten sich fortzustehlen, wann immer es ging, um sich zu lieben. Janus wusste, dass Uhlmann die Veränderung bemerkte. Dafür war sein Freund viel zu klug und ein zu guter Beobachter. Doch er schwieg.
Auf den Märkten fiel es Janus immer schwerer, mit anzusehen, wie Rachel sich anderen Männern hingab. Auch wenn sie ihm versicherte, sie täte es nur des Geldes wegen, und er im Grunde wusste, dass Rachel gar keine Wahl blieb, widerstrebte es ihm, diese Tatsache zu akzeptieren. So kam es häufig zum Streit zwischen ihnen. Janus warf Rachel vor, ihn nicht zu lieben, und sie entgegnete, er sei ein Träumer, ein verwöhnter kleiner Graf, der vom Leben keine Ahnung habe. Doch meistens wurden ihre Streitigkeiten mit leidenschaftlicher Liebe beigelegt.
Dennoch fiel es Janus immer schwerer, sein Leben als Vagant zu akzeptieren. Sicher, er mochte Uhlmann und die Gruppe, und er mochte die Musik, doch am liebsten wäre er mit Rachel weit fortgezogen, hätte sie zu seiner Gemahlin gemacht. Doch wer war er schon? Ein Adliger ohne Land. Ein vogelfreier Spielmann, mit nichts als ein paar Münzen in der Tasche. Und je mehr er über sein Leben nachdachte, umso ungerechter empfand Janus die Tatsache, dass sich die Eskeburg nicht mehr in seinem Besitz befand. Er hörte die Stimme seines Vaters im Ohr: »Sie gehört dir, mein Sohn. Die Eskeburg ist dein. Für dich habe ich sie gebaut.«
Wie gerne hätte er Rachel geheiratet und sie zu seinem Besitz geführt. Immer wenn Janus darüber nachdachte, musste er über sich selbst lachen: Ein Sackpfeifenspieler und eine Hure.
XII
Das untere Dorf glich einer riesigen Schlammpfütze. Der Herbstregen hatte den lehmigen Boden aufgeweicht und schien überhaupt nicht wieder aufhören zu wollen. Konstanze und Asbirg waren auf dem Weg zum Haus des Hufschmieds.
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