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Die Larve

Die Larve

Titel: Die Larve Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jo Nesbø
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einmischen dürfe. Er habe den gerade Festgenommenen aber als Sonderermittler der Fahndungsabteilung eine ganze Weile beschattet und nun von einer seiner Quellen erfahren, dass ebenjener Tord Schultz wegen Drogenbesitzes festgenommen worden sei. Dann wies er sich als Kommissar der Sondereinheit 3, Organisierte Kriminalität, aus. Der Leiter der Wache hatte mit den Schultern gezuckt und ihn dann ohne ein Wort zu einer der drei Arrestzellen gebracht.
    Als die Tür zum Zellentrakt hinter Truls ins Schloss gefallen war, blickte er sich um und vergewisserte sich, dass der Flur und die anderen beiden Zellen wirklich verlassen waren. Dann betrat er die einzig belegte Zelle, setzte sich auf den Toilettendeckel und sah zu der Pritsche, auf der ein Mann saß, der sich nach vorn gebeugt und die Hände vor das Gesicht gelegt hatte.
    »Tord Schultz?«
    Der Mann hob den Kopf. Er hatte die Jacke ausgezogen, und nur die Zeichen auf seinem Hemd verrieten, dass er Flugkapitän war. Flugkapitäne sollten nicht so aussehen, dachte Truls Berntsen. Nicht so zu Tode verängstigt, so blass, mit vor Schreck geweiteten, schwarzen Pupillen. Andererseits war dieses Aussehen typisch für Menschen, die zum ersten Mal verhaftet worden waren. Berntsen hatte einige Zeit gebraucht, bis er Tord Schultz auf dem Osloer Flughafen gefunden hatte. Der Rest war einfach gewesen. Dem Polizeiarchiv STRASAK zufolge hatte Schultz keine Akte. Er hatte keinen Kontakt mit der Polizei gehabt und – auch laut ihres inoffiziellen Fahndungsregisters – keine Verbindung zum Drogenmilieu.
    »Wer sind Sie?«
    »Ich bin im Auftrag des Mannes hier, für den Sie arbeiten, und damit meine ich nicht die Fluggesellschaft. Der Rest kann Ihnen egal sein, okay?«
    Schultz zeigte auf die ID -Karte, die Berntsen an einer Schnur um den Hals trug. »Sie sind Polizist. Wollen Sie mich verarschen?«
    »Damit täte ich Ihnen doch nur einen Gefallen. Das wäre dann nämlich ein Verfahrensfehler und damit eine vortreffliche Gelegenheit für Ihren Anwalt, Sie hier rauszuholen. Ich denke allerdings, es wäre auch in Ihrem Sinn, ganz ohne Anwalt auszukommen, nicht wahr?«
    Der Flugkapitän starrte ihn noch immer mit geweiteten Pupillen an, als versuchten seine Augen, alles Licht und jeden noch so kleinen Funken Hoffnung aufzunehmen. Truls Berntsen seufzte. Er konnte nur hoffen, dass der Mann verstand, was er ihm zu sagen hatte.
    »Wissen Sie, was ein Brenner ist?«, fragte Berntsen und fuhr fort, ohne eine Antwort abzuwarten. »So bezeichnet man Leute, die gegen die Polizei arbeiten, Beweise vernichten oder verschwinden lassen und damit dafür sorgen, dass es zu Fehlern kommt, wegen denen ein Fall nie vor Gericht verhandelt werden kann. Manchmal reichen schon ganz kleine, alltägliche Ermittlungsfehler, damit ein Verhafteter freikommt. Verstehen Sie?«
    Schultz blinzelte zweimal. Dann nickte er langsam.
    »Gut«, sagte Berntsen. »Lassen Sie mich unsere Situation so beschreiben: Wir sind zwei Menschen, die sich im freien Fall befinden, aber nur einen Fallschirm haben, den sie sich teilen müssen. Ich bin gerade aus dem Flugzeug gesprungen, um Sie zu retten. Ich will aber keinen Dank von Ihnen, sondern einfach, dass Sie sich zu hundert Prozent auf mich verlassen, damit wir nicht beide am Boden zerschellen. Capiche? «
    Weiteres Blinzeln. Anscheinend nicht.
    »Es gab mal einen deutschen Polizisten, einen Brenner, der für eine Gruppe Kosovo-Albaner gearbeitet hat, die Heroin über die Balkanroute importiert haben. Der Stoff wurde in Lastwagen von den Opiummärkten in Afghanistan über die Türkei und Ex-Jugoslawien nach Amsterdam gebracht, wo die Albaner das Zeug übernommen und weiter nach Skandinavien transportiert haben. Auf dem Weg sind unendlich viele Grenzen zu überqueren und Menschen zu bezahlen. So auch dieser Brenner. Eines Tages wurde ein junger Albaner geschnappt, den Tank voller Rohopium. Die Päckchen waren nicht einmal anständig verpackt, sondern einfach in den Tank gestopft worden. Er kam in Untersuchungshaft, und noch am selben Tag nahmen die Kosovo-Albaner Kontakt mit ihrem deutschen Brenner auf. Der ging zum jungen Kosovo-Albaner, stellte sich als der Brenner vor, versuchte, ihn zu beruhigen, und versicherte ihm, dass er sich schon um alles kümmern werde. Er wollte am nächsten Tag wiederkommen und ihm sagen, was er bei der Polizei aussagen sollte. Bis dahin bat er den Mann, den Mund zu halten. Aber der junge Albaner war ein Anfänger, einer, der noch nie gesessen hatte,

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