Die Larve
gelänge, diese Stille zu durchbrechen.
»Coole Villa«, sagte ich.
Es hörte sich so blöd an, dass ich fast rot geworden wäre.
»Das war das Haus von Hellmuth Reinhard, dem Chef der Gestapo hier in Norwegen, von 1942 bis 1945.«
»Dann gehe ich mal davon aus, dass Sie kein Problem mit den Nachbarn haben.«
»Das Nachbarhaus gehört mir auch. Da wohnte Reinhards Leutnant. Oder umgekehrt.«
»Umgekehrt?«
»Nicht alles hier ist wirklich leicht zu verstehen«, sagte der Alte. Und lächelte wieder sein Reptilienlächeln. Komodowaran.
Ich wusste, dass ich vorsichtig sein musste, konnte es aber nicht bleibenlassen. »Eine Sache kapiere ich noch nicht. Odin zahlt mir siebzehn Prozent, und das ist auch bei den anderen so in etwa der Standard. Sie aber wollen ein Dreierteam und sind bereit, insgesamt fünfundzwanzig Prozent zu zahlen. Warum?«
Der Blick des Alten ruhte auf einer Seite meines Gesichts. »Weil drei sicherer sind als einer, Gusto. Das Risiko meiner Verkäufer ist auch mein Risiko. Verlierst du alle Bauern, ist es nur eine Frage der Zeit, bis du auch schachmatt bist, Gusto.« Ob er meinen Namen immer wiederholte, weil ihm der Klang so gut gefiel?
»Aber der Verdienst …«
»Mach dir darüber keine Gedanken«, antwortete er scharf. Dann lächelte er, und seine Stimme wurde wieder weich. »Unsere Ware kommt direkt von der Quelle zu uns, Gusto. Der Reinheitsgrad ist sechsmal so hoch wie bei dem sogenannten Heroin, das erst in Istanbul gestreckt wird, dann in Belgrad und schließlich noch einmal in Amsterdam. Trotzdem zahlen wir weniger für das Gramm. Verstanden?«
Ich nickte. »Sie können das Zeug sieben bis acht Mal häufiger strecken als die anderen.«
»Wir strecken es, aber weniger als die anderen. Was wir verkaufen, verdient wirklich den Namen Heroin. Aber das weißt du bereits, deshalb hast du auch so schnell in die geringere Provision eingewilligt.« Das Licht der Flammen glitzerte auf seinen weißen Zähnen. »Du hast längst verstanden, dass du drei bis vier Mal so viel umsetzen wirst wie von Odins Weizenmehl, weil du das beste Produkt der Stadt im Angebot hast. Das siehst du nämlich jeden Tag: Die Kunden gehen achtlos an der Reihe der Dealer vorbei, bis sie vor dem stehen …«
»… der das Arsenal-Trikot trägt.«
»Die Kunden werden wissen, dass sie bei dir vom ersten Tag an die richtige Ware kriegen, Gusto.«
Dann begleitete er mich nach draußen. Er hatte im Sitzen eine Wolldecke über den Beinen gehabt, so dass ich gleich davon ausgegangen war, dass er ein Krüppel war oder irgendwie gebrechlich, aber das war ein Irrtum, denn er war überraschend schnell auf den Beinen. In der Tür blieb er dann aber stehen, offensichtlich wollte er sich draußen nicht zeigen. Er legte mir die Hand auf den Oberarm und drückte leicht zu.
»Wir sehen uns wieder, Gusto. Bald.«
Ich nickte. Ich wusste ja, was er sonst noch von mir wollte. »Ich habe dich in Aktion gesehen.« Vermutlich hatte er mich durch irgendwelche blickdichten Scheiben aus dem Inneren einer Limousine heraus wie einen Scheißrembrandt studiert. Aber genau deshalb wusste ich, dass ich kriegen würde, was ich haben wollte.
»Als Späherin nehmen wir meine Schwester und als Dopemann einen Typ namens Oleg.«
»Einverstanden. Sonst noch etwas?«
»Ich will das Trikot mit der Nummer 23.«
»Arshavin«, murmelte der größere der beiden Chorknaben zufrieden. »Russian.« Von Michael Jordan hatte er offensichtlich noch nie gehört.
»Mal sehen«, brummte der Alte amüsiert und richtete seinen Blick auf den Himmel. »Andrej wird dir jetzt etwas zeigen, damit du loslegen kannst.« Seine Hand tätschelte fortwährend meinen Arm, und er hörte einfach nicht auf zu lächeln. Ich hatte Angst. Und war erregt. Die Anspannung eines Komodowaran-Jägers.
Die Chorknaben fuhren mit mir nach unten in den menschenleeren Yachthafen am Frognerkilen. Sie hatten den Schlüssel zu einem Tor, hinter dem die für den Winter eingemotteten Boote lagen. Am Ende eines Anlegers hielten wir an und stiegen aus. Ich starrte in das schwarze, stille Wasser, während Andrej den Kofferraum öffnete.
» Come here , Arshavin.«
Ich ging zu ihm und sah in den Kofferraum.
Er trug noch immer das Hundehalsband und das Arsenal-Trikot.
Bisken war immer schon hässlich gewesen, aber bei seinem aktuellen Anblick musste ich mich beinahe übergeben. Sein pickliges Gesicht hatte gleich mehrere große, schwarze Löcher, an deren Rändern getrocknetes Blut klebte. Ein Ohr
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