Die Laufmasche
Frau. Sie kam ganz offensichtlich aus dem gleichen Landstrich wie Heinz-Peter. »Es zieht.«
»Und wie heißt du?«, fragte ich, während ich eilfertig zur Tür zurückging.
»Es zieht!«
Ich verzog mich wieder in den Flur.
»Im Wohnzimmer sitzen zwei Drachen«, sagte ich zu Till und Ollie. »Der eine heißt Frauke und der andere Eszieht.«
»Erst bringt ihr jetzt mal euer Gepäck nach oben«, befahl Heinz-Peter freundlich. »Und dann gehen wir die Lebensmittelliste durch, ob nichts fehlt.«
Till zuckte müde mit den Schultern und hielt Ollie unsere Taschen hin. Der trug sie widerstandslos die Treppe hinauf.
Das Zimmer war so klein, dass man die Tür nur nach außen öffnen konnte. Ein französisches Bett und ein paar Haken an der Seite waren das ganze Mobiliar.
»Sind die anderen Zimmer auch so winzig?«, fragte ich.
»Nein«, gab Ollie zu. »Aber weil wir so spät gekommen sind ... - Ich schlafe im Wohnzimmer auf der Couch. Das ist noch schlechter.«
Vielleicht hatte er recht. In dem Mief da unten hätte ich jedenfalls auch nicht nächtigen wollen. Ich ließ mich auf das Bett plumpsen. Die Matratze gab beinahe bis zum Boden nach.
»Zahlst du meinen Skipass auch?«, fragte ich Ollie.
Um halb acht gingen Frauke und Eszieht mit den Kindern zu Bett. Die feuchten Legoklötzchen und die Decke mit Spielzeug ließen sie im Wohnzimmer zurück, ebenso den Gestank. Ich öffnete ein Fenster.
Jörg und Heinz-Peter wollten die
Läbänsmittällischtä kontrollieren und einen Benutzungsplan für das einzige Badezimmer aufstellen. Till und ich stapelten die Einkäufe in der Küche auf, während Heinz-Peter die einzelnen Pos-ten von vier computergeschriebenen Seiten ablas und Jörg mit Ollie nebenan darüber abstimmten, wer wann sein großes Geschäft zu erledigen hatte.
Ich hörte Heinz-Peters und Tills Dialog zu und kicherte albern vor mich hin.
»Sahnejogurt, Kirsche, sechsmal?«
»Hier.«
»Sahnejogurt, Erdbeer, sechsmal? Sahnejoghurt, Pfirsich, sechsmal.«
»Ja.«
»Toilettenpapier, drei mal acht Rollen?«
»Hier.«
»Was ist das?«, schrie Heinz-Peter entsetzt und zeigte auf das Klopapier.
Ich zuckte zusammen. Jörg und Ollie kamen ebenfalls erschrocken herbeigelaufen.
»Was ist los?«
Heinz-Peter zeigte stumm auf die Klopapierrollen.
»Oh, mein Gott«, stöhnte Jörg. »Ich wusste, dass etwas schief gehen würde. Wenn man sich einmal auf andere verlässt!«
Ollie und ich schauten Till Hilfe suchend an. »Was hast du getan?«
Till zuckte mit den Schultern. »Ich hab' keine Ahnung.«
Heinz-Peter sah ihn vorwurfsvoll an. »Du solltest dreitägiges, holzfreies Papier besorgen. Und das hier ist bloß zweilagig! Und recycelt!«
Ein hysterisches Kichern schüttelte mich. »Und ich dachte schon, es wäre was Ernstes.«
»Das ist ernst.« Jörg betrachtete das Klopapier angewidert. »Wir haben nicht umsonst eine detaillierte Einkaufsliste erstellt.«
Er und Heinz-Peter weigerten sich kurzerhand, derartig umweltfreundliches Material mit ihren Hintern in Berührung zu bringen. Sie zogen sich zu einer Krisensitzung an den Esstisch zurück. Wir durften in der Zwischenzeit die Sahnejogurts in den Kühlschrank räumen. Ich kicherte immer noch.
Nach einer knappen halben Stunde hatten Jörg und Heinz-Peter das Klopapierproblem gelöst. Till musste das Geld für sein minderwertiges Klopapier zurück in die Kasse geben. Ebenso die Differenz zwischen der Summe, die das gewünschte Klopapier in Deutschland gekostet hätte, und dem, was es hier in der Schweiz kostete. Dabei waren sich Jörg und Heinz-Peter zuerst nicht einig, ob man bei der Berechnung in Rappen und Pfennig den Wechselkurs berücksichtigen sollte, der zu dem Zeitpunkt vorgelegen hat, zu dem Till das zweila-gige Klopapier gekauft hatte, oder den, der im Augenblick vorlag. Till schuldete der Kasse am Ende noch einundvierzig Rappen. Da es in der Schweiz keine EinRappen-Stücke gibt, waren sich Jörg und Heinz-Peter unschlüssig, ob sie auf fünfundvierzig Rappen aufrunden sollten oder nicht.
Zuletzt siegte ihre Großherzigkeit, und Till wurde der eine Rappen erlassen.
Über dieser Diskussion war es halb neun geworden. Höchste Zeit für Jörg und Heinz-Peter, die Ehebetten im ersten Stock aufzusuchen.
»Ich hoffe, dass uns dieser Zwischenfall nicht den Urlaub verderben wird«, sagte Heinz-Peter zum Abschied versöhnlich in Tills Richtung. »So was kann ja jedem mal passieren.«
Till sah Ollie vorwurfsvoll an.
»Denk doch mal, wie viel Spaß wir
Weitere Kostenlose Bücher