Die Laufmasche
und
unangenehmeres habe ich bisher nirgendwo erlebt.«
-
Frau Hoppe machte eine Pause. Dann aber sprach sie weiter, als habe sie das nicht gehört. »Nun ja, Felicitas. Du sollst schon wissen, dass ich bei allem Unmut, den ich jetzt empfinde, auch Mitleid mit dir habe. Wolf sagt das auch. Leute wie du haben einfach kein Durchhaltevermögen, kein wirkliches Verhältnis zur Arbeit.«
Etwas knurrte ungehalten, ganz in meiner Nähe.
Es schien mir, als käme das Geräusch direkt aus dem Glas in meiner Hand.
»Einer muss es dir schließlich mal sagen«, meinte Roswitha. »Es ist kein Zufall, dass du arbeitslos warst, mit dieser Einstellung. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass du jemals wieder eine Stelle bekommst.«
Das ging jetzt wirklich unter die Gürtellinie. Ich schraubte das knurrende Marmeladenglas auf und schwieg.
»Aber wir wollen bitte nicht im Streit auseinander gehen«, fuhr die Hoppe fort. »Dafür kennen wir auch deine Eltern viel zu lange. Deine armen Eltern. Hast du überhaupt mal darüber nachgedacht, was du denen antust? Die können uns ja nicht mehr in die Augen sehen, nach dieser Geschichte.«
In diesem Augenblick sah ich sie, hinter dem Rosmarin am unteren Fensterrand. Es war eine große Fliege mit grünschillerndem Panzer. Sie war irgendwann im Spätsommer gestorben und hatte seitdem hier gelegen und auf mich gewartet. Auf mich und auf Frau Hoppes Wortattacke.
Vorsichtig nahm ich die morschen Flügel zwischen Daumen und Zeigefinger.
»Ich bin froh, dass unsere Natalie aus anderem Holz
geschnitzt ist«, sagte die Hoppe. »Aber du warst ja immer schon ein Sorgenkind.«
Ich ließ die tote Fliege über dem offenen Marmeladenglas baumeln.
»Wissen Sie was, Frau Hoppe, Hoppe, Hoppe?«, fragte ich. Die Fliege segelte sachte hinab und vermischte sich mit den anderen Zutaten. Ein zarter Duft nach Schwefel und Klettenwurzel stieg mir in die Nase. »Rutschen Sie mir den Buckel runter!«
Und damit legte ich den Hörer auf.
Epilog
FELICITAS FAND EINEN neuen Job bei einer Werbeagentur, der ihr großen Spaß machte. Sie entwickelte einen Slogan für ein neuartiges Mittel gegen Haarausfall, der mit mehreren Werbepreisen ausgezeichnet wurde. Die Firma, die das Haarwuchsmittel herstellte, machte viele Männer glücklich, expandierte und schaffte damit allein in Deutschland sechshundert neue Arbeitsplätze. Auch Erik hat heute keine kahle Stelle mehr. Er und Felicitas wohnen seit geraumer Zeit zusammen mit Rothenberger und Eriks Katee Serafine in seiner alten Villa. Als erstes haben sie Jürgens Graffitis übermalen lassen.
Beate hat ganz in der Nähe einen Laden aufgemacht, in dem man alle möglichen Hexenartikel kaufen kann. Der Laden hat so großen Zulauf, dass Beate daran denkt, demnächst eine zweite Niederlassung zu gründen. Anja Reisdorf soll die Filiale leiten.
Britt hat die Beziehung zu ihrem Professor beendet. Sie ist heute mit dem Chef der Anwaltskanzlei verbandelt, bei der sie arbeitet. Er hat ihr fest versprochen, seine Frau in Kürze zu verlassen. Jürgen und Wiebke haben eine neue WG
gegründet und sind mit einem Ökowindel-Hol-undBring-Service ganz groß herausgekommen.
Natalie Hoppe hat eine gesunde Tochter zur Welt gebracht, Vanessa-Doreen, ein echtes
Überfliegerkind, mit acht Monaten das jüngste Mitglied der Ballettschule
»Golden Steps«. Mark verließ Natalie, als er einen Mann kennen lernte, der eine fatale Ähnlichkeit mit dem jungen Karl-Heinz Böhm hatte. Die beiden Männer heirateten ein halbes Jahr später in Dänemark. Natalie wohnt heute mit Vanessa-Doreen wieder bei ihren Eltern. Mehrere Versuche, über die Zeitung einen Mann zu finden, scheiterten. Beim Verlegen eines Starkstromanschlusses in ihrem alten Kinderzimmer bohrte der Installateur aus Versehen eine Wasserleitung an. Das Wasser ruinierte das Parkett sowie die altenglische Ledergarnitur im Stockwerk darunter und war auch dafür verantwortlich, dass Roswitha Hoppe ausrutschte und mit dem Gesicht auf den marmornen Kaminsims fiel. Sie verlor dabei einen Schneidezahn. Der später eingesetzte Stiftzahn sah trotz Konsultation der besten Zahnärzte im Bundesgebiet niemals ganz echt aus.
Bei Hoppe und Partner GmbH gab es eine ungewöhnlich große Anzahl Fehllieferungen, ein Großkunde aus den Vereinigten Emiraten kaufte plötzlich bei der Konkurrenz, zwölf Mitarbeiter verließen die Firma, ohne das gesetzliche Rentenalter erreicht zu haben. Nach reiflicher Überlegung blieb Wölf nichts anderes übrig, als
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