Die Laufmasche
Aufregung.
Verstehst du?«
»Und ich hätte schwören können, dass du einen Orgasmus hattest«, murmelte Till zerknirscht.
Er hatte nichts verstanden.
»Ja, ja, hatte ich«, seufzte ich ungeduldig. »Ich bin ja keine Anfängerin mehr. Und warme Füße hatte ich hinterher auch. Aber das war auch schon alles. Und mir nicht genug. Tut mir Leid.«
Beim Frühstück war Till sehr wortkarg. Er grinste noch nicht mal als Eszieht die Bananen nachzählte und nach dem Verbleib der fehlenden fragte.
»Die habe ich total gegessen«, sagte Ollie verein-barungsgemäß. »Ich kaufe heute Nachmittag gleich neue.«
»Das find' ich aber nicht richtig«, murrte Eszieht.
»Da kann man doch vorher fragen.«
»Apropos, seid ihr eigentlich miteinander verlobt, Felicitas?«, fragte Heinz-Peter.
Till verschluckte sich vor Schreck an seinem Brötchen. Ich schaute Heinz-Peter verwirrt an.
»Apropos was?«, fragte ich.
Heinz-Peter lächelte verlegen. Apropos nichts, eigentlich. Aber er wollte es unbedingt wissen.
»Seid ihr verlobt?«
»Nein«, antwortete ich.
Heinz-Peter sagte ein Weilchen gar nichts. Dann setzte er einen väterlich-verständnisvollen Gesichtsausdruck auf.
»Heutzutage muss man ja auch nicht mehr unbedingt verlobt sein«, meinte er nachsichtig.
»Man kann auch so heiraten.«
Till verschluckte sich wieder, diesmal noch heftiger. Ich lachte freundlich, weil ich immer noch nicht bemerkt hatte, dass Heinz-Peter keinen Scherz machte, sondern alles so meinte, wie er es sagte.
»Ich habe gedacht, weil ihr doch in einem Zimmer schlaft«, sagte er. Da verstand ich langsam, dass ihm die Sache wirklich am Herzen lag.
»Ich kann ja nicht jeden heiraten, mit dem ich in einem Zimmer schlafe«, sagte ich vorsichtig. »Till und ich sind gute Freunde, weiter nichts.«
Heinz-Peter schluckte. »Nur gute Freunde?«, wiederholte er und wurde ein bisschen rot.
Hatte er womöglich gestern Nacht etwas gehört?
Vermutlich ja. Ich wurde auch ein bisschen rot und überlegte, wie ich ihm erklären sollte, dass man auch mit guten Freunden Sex haben kann, wenn man Lust dazu hat.
Heinz-Peter verstand die Welt nicht mehr. »Warum fahrt ihr dann zusammen in Urlaub?«, fragte er gekränkt.
»Zum Skilaufen - hauptsächlich.«
Heinz-Peter sah erschüttert aus. Er stand schnell auf, um seine Eszieht und die Kinder zu suchen.
»Sicher betet er heute Nacht für uns«, flüsterte Till hinter ihm her.
Wir waren ungerecht. Heinz-Peter war so ein freundlicher, argloser Mensch. Uns hatte er - trotz der Sache mit dem Klopapier - auch in sein Herz geschlossen. Manchmal, wenn wir morgens an den Frühstückstisch kamen, hatte er schon fürsorglich ein Müsli für uns angerührt.
»Ihr Sportler braucht morgens eine ordentliche Grundlage«, sagte er. Für ihn war jeder ein Sportler, der besser Ski fuhr als er. Also eigentlich alle.
Tagsüber sahen wir ihn und Jörg höchstens von weitem. Aber da die Lifte von halb fünf Uhr nachmittags bis acht Uhr morgens geschlossen hatten, waren wir gezwungen, in der Zwischenzeit im Chalet vor der Kälte Schutz zu suchen.
Eszieht und Frauke blieben dagegen den ganzen Tag bei den Kindern im Tal. Frauke war im vierten Monat schwanger - hatte ich doch gleich gesehen! -
und wollte eigentlich gern Skifahren, aber Jörg hatte ihr strengstens untersagt, auch nur auf dem Idiotenhügel nebenan herumzukraxeln, aus Rücksicht auf seinen ungeborenen Sohn. Also rührte Frauke den ganzen Tag in der Haferkleie herum, die ihr der Arzt gegen Verdauungsbeschwerden verschrieben hatte, betrachtete Heinz-Peters und Esziehts Kinder mit düsteren Vorahnungen und fragte sich, warum zum Teufel sie nicht besser aufgepasst hatte.
Oben auf dem Berg zogen Jörg und Heinz-Peter indessen ordentliche Spuren durch den Schnee, mehr schlecht als recht. Sie gehörten zu der Sorte Männer, die in ein paar Jahren die ganze Familie in Partnerlook einkleideten und auf der Piste kleine Kolonnen bildeten. Vorneweg der Vater, langsame Stemmbögen über die gesamte Pistenbreite vorfahrend, dahinter zwei bis drei Kinder, in warme Anzüge verpackt, und zum Schluss die Mutter, die die Kinder laufend ermahnt, Papas dilettantische Fahrweise auch genau nachzuahmen und bloß nicht zu überholen.
Manchmal schämte ich mich für meine hässlichen Gedanken und versuchte nett zu Heinz-Peter zu sein. Obwohl - wenn er sich dann bei den Mahlzeiten bemüßigt fühlte, uns en detail über die Beschaffenheit des Windelinhaltes seines Säuglings zu informieren
Weitere Kostenlose Bücher