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Die Launen des Teufels

Die Launen des Teufels

Titel: Die Launen des Teufels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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Während die Bewacher den Druck erhöhten, indem sie die Verstecke der wenigen überlebenden Schützen gezielt unter Beschuss nahmen, zischte lediglich hie und da ein verirrter Pfeil in den Himmel – ohne jedoch weiteren Schaden anzurichten.
    Der Spuk war genauso schnell vorüber, wie er begonnen hatte, und als kurze Zeit später die Gefahr mit dem letzten im Unterholz verschwindenden Kittel gebannt war, erhob sich lautstarkes Freudengeheul. Anerkennend droschen viele Mitglieder der Gesellschaft den erfolgreichen Rittern auf den Rücken, zogen Geldkatzen hervor und drängten den Männern Belohnungen auf, von denen diese vermutlich einige Zeit lang ihren Lebensunterhalt würden bestreiten können. Auch Anabels Nachbar rappelte sich unter seinem Karren hervor, zuckte verschämt die Achseln und griff ebenfalls tief in die Tasche.
    »Ich verstehe nicht, warum sie die Kerle extra bezahlen«, erboste sich ein gnomenhafter Tuchhändler, der mit einer steilen Zornesfalte zwischen den gezupften Brauen einen Pfeil aus den Brettern zog. Seine hochmodische Schecke entstellte ein Schmutzfleck, der sich von seinem Rücken über den Allerwertesten bis in seine Kniekehlen zog. Offenbar war er vor Schreck hintenüber gekippt, als eines der Geschosse keine zwei Zoll neben ihm eingeschlagen war. Er warf den Rittern einen missfälligen Blick zu und schimpfte weiter. »Wozu haben wir schließlich eine Schutzgebühr entrichtet? Dann sollten sie uns doch auch beschützen, oder?«
    Anabel nickte höflich, auch wenn sie immer noch nicht ganz begriff, was soeben vorgefallen war.
    »Wie seht Ihr das?«, wandte sich der rothaarige Händler mit einem misstrauischen Blick an Bertram, der Anabel auf den Wagen half. »Seid Ihr etwa anderer Meinung?« Seine stechenden grünen Äuglein verengten sich, als er Bertrams Erscheinung abtastete. »Ihr habt doch auch bezahlen müssen, nicht?« Die Streitlust verlieh seiner ohnehin zu hohen Stimme einen schrillen Unterton, und als Bertram die Frage nicht sofort beantwortete, machte der Mann einen Schritt auf ihn zu und stach ihm mit dem Zeigefinger in die Brust. »Ihr seid Euch wohl zu fein für eine Antwort?« Wenngleich ihn Bertram um über einen Kopf überragte, funkelte er den Knaben kampfeslustig an und warf verächtlich die Hände in die Luft.
    »Am Ende seid Ihr einer von ihnen«, knurrte er und ließ den Blick weiter zu Anabel gleiten, die den kleinen Wulf an sich presste. »Wer ist heutzutage schon das, wofür er sich ausgibt?«, zeterte er weiter und fuchtelte in die Gegend. »Wohin man sieht, nichts als Gesetzlose!« Er hielt einen Augenblick inne, bevor er listig fortfuhr: »Woher, sagtet Ihr, kommt Ihr?«
    Anabels Herzschlag beschleunigte sich. Was um alles in der Welt hatte dieser Kerl für ein Problem? Wenn er nicht bald mit dem Geschrei aufhörte, würden sie die Aufmerksamkeit der Ritter auf sich lenken!
    »Aus Tübingen.« Bertram schien die Sprache wiedergefunden zu haben. »Und Ihr solltet ein wenig vorsichtiger sein mit Euren Verdächtigungen.«
    Die Drohung, die in seinen Worten mitschwang, veranlasste den Händler dazu, einen Schritt zurückzuweichen. Doch kaum hatte er erkannt, dass Bertram nicht vorhatte, den Worten Taten folgen zu lassen, keifte er mit neuem Mut: »Ich werde ein Auge auf Euch haben! Bildet Euch nicht ein, dass Ihr mir im Schlaf die Kehle durchschneiden und mich berauben könnt!« Damit machte er auf dem Absatz kehrt, rückte das Käppchen auf seinem Kopf zurecht und stolzierte zurück zu seinem Karren.

Kapitel 49
     
    Burg Katzenstein, 18. Januar 1350
     
    Ungeachtet der unwirtlichen Witterung stemmte Wulf von Katzenstein die schwere Tür auf und trat auf die Zinnen des hoch aufragenden Bergfriedes. Tief unter ihm glitzerte die vereiste Oberfläche des Härtsfeldsees, der seit Beginn des Winters mit einer zolldicken Eisdecke überzogen war. Das Bleigrau des Himmels spiegelte seine Gemütslage wider, und selbst das Lachen der den Hof fegenden Kinder seines Stallmeisters konnte ihn nicht aufmuntern. Seit dem Aufbruch aus Ulm marterte er sich mit dem Vorwurf, dass er Katharina nicht dazu überredete hatte, ihm den Knaben auszuhändigen. Und mit jedem Tag, der verstrich, quälten ihn neue Ängste. Wie weit würde sein Lehnsherr, Ulrich von Württemberg, gehen, um die Untreue seiner Gemahlin zu ahnden? Welches Schicksal stand Katharina bevor?
    Mit einem Stöhnen stützte er die Ellenbogen auf den kalten Stein und vergrub das Gesicht in den Handflächen, während

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