Die Launen des Todes
hätten.
Pottle, Leiter der Psychiatrie des Central Hospital, zeitweiliger Dozent an der Mid-Yorkshire University und Berater der Polizei in Fragen, bei denen sein Fach und ihres sich überschnitten, war Pascoes gelegentlicher Analytiker und eine Art Freund, das hieß, Pascoe mochte ihn wegen des möglicherweise irrationalen Grundes, dass er genau jenem Typus von Psychiater glich, den man in einem Woody-Allen-Film erwarten würde. Er hatte traurige Cockerspaniel-Augen und explosives Haar, dessen glänzendes Grau stark mit seinem Einstein-Bart kontrastierte, der als Resultat einer endlosen Kette von an der Unterlippe baumelnden Zigaretten ingwerfarben-bräunlich gescheckt war.
Patienten, die Einspruch erhoben, wurde gesagt: »Ich bin hier, um Ihnen bei Ihren Problemen zu helfen. Wenn mein Rauchen dazu gehört, dann gehen Sie jetzt, und ich werde Ihnen in Rechnung stellen, dass ich eines davon gelöst habe.«
Pascoe zeigte ihm die Briefe. Er musste ihm zu Roote nichts erklären. Sie hatten sich bereits über ihn unterhalten.
Pottle las die Briefe, wie er alles las, mit erstaunlicher Geschwindigkeit, was nach Ellies Meinung reiner Humbug war und was er nur mache, um andere zu beeindrucken. Pascoe jedoch wusste, dass sie sich irrte. Pottle in seinem Sprechzimmer war wie die Sibylle in ihrer Höhle, ein sterbliches Sprachrohr für die Stimme eines Gottes, und es waren die göttlichen Augen, die die Worte in einem Tempo überflogen, das den Menschen nicht gegeben war.
»Soll ich mir Sorgen machen?«, fragte Pascoe.
»Sollen Sie mir diese Frage stellen?«, sagte Pottle.
Pascoe dachte nach, formulierte um.
»Steht irgendwas in den Briefen, das Sie als versteckte oder implizite Drohung gegen mich und meine Familie auffassen?«
»Wenn Sie sich durch Spott bedroht fühlen, sicherlich. Wenn Sie sich durch Abhängigkeit bedroht fühlen, vielleicht. Wenn Sie sich durch reine Unverständlichkeit bedroht fühlen, kann ich Ihnen nicht helfen, da mir selbst nicht genügend Fakten vorliegen, um die Briefe ganz zu verstehen.«
»Ja, aber soll ich mir Sorgen machen?«, wiederholte Pascoe ungeduldig.
»Jetzt kommen Sie damit schon wieder. Wollen Sie, dass ich Sie verstehe, Peter, oder wollen Sie, dass ich Mr. Roote verstehe?«
Eine weitere nachdenkliche Pause, dann sagte Pascoe: »Roote. Mit mir komm ich schon zurecht. Aber über ihn habe ich keinerlei Ahnung, außer dass ich glaube, dass er nichts Gutes im Schilde führt.«
»Was, glauben Sie, führt er denn im Schilde?«
»Ich glaube, es bereitet im Vergnügen, mich völlig verrückt zu machen. Ich glaube, er versucht die ganze Zeit meine Schwachstellen auszuloten. Und ich glaube, es macht ihn an, mir von Gesetzesverstößen zu erzählen, an denen er auf eine Art und Weise beteiligt war, dass ich nichts gegen ihn unternehmen kann.«
»Beispiele?«
»Der Vorfall im Duschraum im Chapel Syke, den hat er zugegeben. Und dann am St. Godric’s, ich gehe davon aus, er hat in der Dekanwohnung das Feuer selbst gelegt, ich vermute stark, er hat Dekan Albacore tätlich angegriffen und dann liegen lassen, damit er umkam.«
»Großer Gott. Als ich es gelesen habe, wies für mich nichts auf die Möglichkeit hin, dass hier ein falsches Spiel getrieben wurde.«
»Nein, können Sie auch nicht. Das ist meine Aufgabe.«
»Tut mir Leid, das ist mir entgangen. Irgendwelche Beweise?«
»Nichts außer den Briefen, nur einige Indizien hinsichtlich Albacore.«
Er erläuterte seine Theorie.
»Und wird Ihre Vermutung von den Kollegen in Cambridge geteilt?«
»Sie denken noch darüber nach«, wich Pascoe aus.
»Verstehe. Dieses Ausloten Ihrer Schwachstellen – was meinen Sie damit genau?«
»Er erzählt mir, dass ich vielleicht den falschen Weg gewählt habe, als ich Polizist wurde und nicht die universitäre Laufbahn einschlug. Er führt mir vor Augen, dass man durch einen Gefängnisaufenthalt sehr viel weiter kommen kann als durch die Arbeit bei der Polizei. Ständig quasselt er davon, dass ich ein alter, gesetzter, verheirateter Mann sei, dessen Willenskraft er bewundert und dessen Ratschlag er ersehnt, während er gleichzeitig meinen Neid auf ihn wecken will, der frei und ungebunden ist und dem die Mädchen mehr oder weniger freiwillig ins Bett hüpfen.«
»Wow«, sagte Pottle. »Und weckt er Ihren Neid?«
»Natürlich nicht. Das meiste, was er schreibt, ist sowieso erfunden.«
»Bis auf die Stellen, von denen Sie glauben, dass er Ihnen seine Verbrechen gesteht?«
»Nein, ich
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