Die Launen des Todes
meine ja … Hören Sie, ich dachte, Sie wollten sich auf Roote konzentrieren, nicht auf mich.«
»Es fällt schwer, Sie beide voneinander zu trennen. Gibt es sonst noch etwas, was Sie mir erzählen wollen, Peter?«
»Das wäre?«
»Zum Beispiel von dieser Vision, die er laut eigener Aussage von Ihnen gehabt haben will?«
Pascoe blinzelte, dann sagte er leise: »Warum fragen Sie das?«
»Weil in diesen Briefen viele interessante Dinge stehen, aber nicht viele wirklich merkwürdige. Die Vision allerdings ist sehr merkwürdig. Und dass Sie sie bei Ihrem Beschwerdekatalog nicht erwähnt haben, erscheint mir ebenfalls als merkwürdig. Ich meine, Sie wollen offenbar glauben, dass bei Roote eine Schraube locker ist, aber Sie unterlassen es, den einzigen glaubhaften Beweis anzusprechen, dass er sich ein wenig neben der Spur befindet. Also?«
Ein weiteres Blinzeln, dann sagte Pascoe hilflos: »Ich hab ihn auch gesehen.«
Er erzählte die Geschichte. Pottle sagte: »Interessant. Wenden wir uns seinen Sitzungen bei Ms. Haseen zu.«
»Hey, und was ist mit meinem visionären Moment?«
»Wovon man nicht sprechen kann, darüber muss man schweigen. Sie haben ihr Buch gelesen?«
»Ja – nun ja, die relevanten Stellen.«
»Die relevanten Stellen«, widerholte Pottle. »In der Tat. Interessant, dass unser Freund Ihnen die exakten Seitenangaben zukommen ließ, damit Sie sich nicht durch ihre zähe Prosa und die gebildeten Ratespielchen ackern mussten. Lassen Sie mich sehen …«
Er fasste ins Bücherregal hinter sich und zog einen Band mit schwarzem Umschlag heraus, den Pascoe sofort erkannte. Dann, ohne in den Briefen nachzusehen, blätterte er zur richtigen Seite, wie Pascoe an der kopfstehenden Paginierung erkannte, und vollführte wieder seinen Schnelllese-Trick.
»Die arme Amaryllis«, sagte er. »Sie ist so ganz das Gegenteil des lieben Goldsmith, der, Sie erinnern sich, laut Garrick wie ein Engel schrieb, aber wie ein armer Teufel redete.«
»Sie kennen sie?«
»Wir haben uns beruflich getroffen. Und sollten uns übrigens nächsten Monat beim Wintersymposium der Psychandrischen Gesellschaft von Yorkshire, deren Vorsitzender ich im Moment bin, erneut sehen. Es findet in Sheffield statt. Amaryllis Haseen soll einen Vortrag halten.«
»Aber angesichts dessen, was geschehen ist, wird sie doch sicherlich absagen?«
»Ich habe ihr das in meinem Kondolenzschreiben nahe gelegt. Sie hat geschrieben, dass sie auf Anraten ihres Analytikers gewillt ist, den Termin einzuhalten. Sie ist einfach unverwüstlich.«
»Offenbar«, sagte Pascoe. »Aber wie schätzen Sie sie ein? Ich meine, wenn Sie Haseen zu einem Vortrag eingeladen haben, werden Sie sie doch nicht für eine Blindgängerin halten?«
»Weit gefehlt«, sagte Pottle. »Was Sie eigentlich fragen, ist, wie ernst Sie das nehmen sollen, was sie in ihrem Buch über Roote schreibt. Ich würde Ihnen raten, es nicht außer Acht zu lassen. Sie arbeitet, wie Sie sehen werden, wenn Sie das ganze Buch lesen und nicht nur die Stellen, die Roote Ihnen empfohlen hat, sehr gewissenhaft, verfügt über großes Einfühlungsvermögen und lässt sich nicht so leicht hinters Licht führen.«
»Trotzdem«, sagte Pascoe, »bei Rootes Beziehung zu seinem Vater hat sie sich von ihm völlig einseifen lassen. Als der Mann starb, war er noch ein Baby. All diese so genannten Erinnerung sind reine Erfindung.«
»Ist das so? Das überrascht mich.«
»Wenn Sie Roote kennen würden, wären Sie nicht überrascht«, sagte Pascoe leidenschaftlich. »Er versteht es meisterhaft, andere an der Nase herumzuführen.«
»Nur Sie nicht? Vielleicht sollten Sie auf Psychiater umsatteln, Peter.«
»Vielleicht tue ich das. Und vielleicht komme ich auch auf Ihr Symposium, wenn ich Zeit habe.«
»Seien Sie mein Gast«, sagte Pottle. »Ihr Aufenthalt dort könnte sich als doppelt lohnend herausstellen, denn durch einen dieser Zufälle, den die Leser von Kriminalromanen überhaupt nicht goutieren, ist einer unser Vortragsredner dieser Frère Jacques, von dem Ihr Freund Roote mehrmals spricht.«
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass Ihre Mitglieder sehr an diesem Friede-Freude-Eierkuchen-Zeug interessiert sind.«
»Peter, ich hoffe, es kränkt Sie nicht, wenn ich Sie darauf hinweise, dass Sie von Zeit zu Zeit wie Ihr Herr und Meister Mr. Dalziel klingen. Die Beziehung des Menschen zum Tod ist ein sehr ernst zu nehmendes Studiengebiet für die Vertreter meines Fachs. Man könnte sogar sagen, es ist das
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