Die Launen des Todes

am leichtesten zu treffen. Ich erinnere mich nicht mehr an viel. Ich verlor das Bewusstsein. Alles, was ich in dem Moment wusste, war, dass ich meine letzten Reserven gegen ihn aufbieten musste.«
    »Und natürlich hast du die Ehre deiner Freundin verteidigt«, sagte Novello gelassen. »Ein Held, wie er im Buche steht.«
    Zu ihrer Überraschung grinste er.
    »So war’s vielleicht am Anfang, später nicht mehr. Zum Schluss hatte ich eine Scheißangst. Buchstäblich, nehme ich an. Ich war überzeugt, dass ich sterben werde, das hat mir Angst eingejagt. Du musst das Gefühl doch kennen, Novello. Du hast es auch erlebt.«
    Ihre Hand ging zur Schulter, an der sie die beinahe tödliche Kugel abbekommen hatte.
    »Nicht gleich«, sagte sie. »Zuerst war ich völlig daneben. Ich atmete noch, konnte mich noch bewegen, stand aber so unter Schock, dass ich kaum was spürte. Aber dann, als es aussah, als würden wir alle sterben, und ich so geschwächt war, dass ich noch nicht mal mehr daran denken konnte, mich zur Wehr zu setzen, da bekam ich es mit der Angst zu tun.«
    »Einer Scheißangst?«
    »Vielleicht hab ich mich angepisst, aber wir waren zum Schluss ja alle so nass, da ist es nicht mehr aufgefallen«, sagte sie und lächelte ihn an. Dann schwand ihr Lächeln, und ihr geschäftsmäßiger Tonfall kehrte zurück. »Okay, du hast es überlebt, und dann warst du ein Held. Laut deiner Aussage kämpften Rye und Dee miteinander, als du ins Cottage gestürmt bist, beide waren nackt, überall war Blut. Und du hast angenommen …«
    »Ich habe überhaupt nichts angenommen! Ich habe gesehen, wie er sie angegriffen hat. Und da ging’s nicht nur ums Sexuelle, obwohl das schon schlimm genug war. Der Bastard wollte sie umbringen!«
    »Wegen des Messers, meinst du? Und weil du dir zusammengereimt hast, dass alle Indizien darauf verweisen, dass Dee der als Wordman bekannte Killer ist? Wenn es diese Wordman-Verbindung nicht gegeben hätte und du in die gleiche Situation geraten wärst, was hättest du dir dann gedacht?«
    »Das Gleiche«, sagte er prompt. »Okay, die Motivation wäre eine andere gewesen. Er wollte Sex, sie schlug es aus, er wurde aufdringlich, versuchte sie zu zwingen, und als sie sich wehrte, rastete er aus.«
    »Genau«, sagte sie nachdenklich. »Aber auch wenn man annimmt, dass er nur darauf aus war, sie umzubringen, musste sein Angriff doch auch einige sexuelle Elemente aufgewiesen haben. Ich meine, bei deiner Aussage im Krankenhaus hast du angegeben, dass sie nackt war, richtig?«
    »Ja. Er muss ihr die Kleider vom Leib gerissen haben, ist doch klar.«
    »Schon. Aber bei der gerichtlichen Untersuchung ist es dann nicht mehr erwähnt worden.«
    »Bestand keine Veranlassung. Es wurde ja nicht als versuchte Vergewaltigung gewertet.«
    »Nein, natürlich nicht«, sagte sie. »Dann sind da noch Ryes Verletzungen. Laut der Polizeiakte musste sie behandelt werden, vorwiegend aber wegen des Schocks. Körperlich hat sie nur ein paar Kratzer und Quetschungen abbekommen. Auch das hielt man nicht mehr für nötig, bei der gerichtlichen Untersuchung oder im Polizeibericht zu erwähnen. Sie wurde angegriffen, sie hatte Angst, aber das war alles.«
    »Worauf willst du hinaus?«, sagte Hat. »Überhaupt, was soll das alles? Wie ich schon sagte, ich hab das alles zur Genüge durchgekaut, mit Mr. Dalziel und dann bei der Untersuchung. Warum zum Teufel sitze ich hier und werde von dir verhört, obwohl du nichts über den Fall weißt und dich nur deswegen in einer höheren Position siehst, weil du ein paar Monate länger DC bist als ich.«
    »Muss ich dir das noch mal erklären?«, sagte sie genervt. »Mr. Dalziel und das Untersuchungsteam hatten ein Ziel, die Wahrheit herauszufinden, allerdings hatten sie eine verdammt gute Vorstellung davon, wie die Wahrheit aussehen sollte, die sie herausfinden wollten. Dee, dem psychopathischen Serienmörder, war durch das beherzte Eingreifen des bescheidenen jungen Helden Bowler der letzte Mord vereitelt worden. So lautet die biblische Wahrheit der offiziellen Version. Nur gibt es leider Penns revidierte Version, und der fette Andy meint, er hätte die Mächte des Antichristen, besser bekannt als die Boulevardpresse, dafür interessieren können. Wir können davon ausgehen, dass die verschlagenen Dreckskerle alles herausfinden, was ich herausgefunden habe. Und um uns darauf vorzubereiten, müssen wir uns fragen, was sie aus solchen Fakten wie den dreizehn Stichwunden in Dees Leiche machen. Oder