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Die Launen des Todes

Die Launen des Todes

Titel: Die Launen des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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dass ihm die Wunden mit der Waffe zugefügt wurden, mit der er Rye angegriffen hat, was klar darauf hinweist, dass er entwaffnet war, als er starb. Oder dass Rye keinerlei schwer wiegende oder gar lebensbedrohliche Verletzungen aufwies.«
    Sie hätte noch Ryes Nacktheit anführen können oder die fehlenden Hinweise, dass ihr die Kleidung gewaltsam vom Leib gerissen wurde, doch das wäre ihrem Gefühl nach zu weit gegangen. Hat, bemerkte sie bestürzt, sah so schlimm aus, wie sie ihn seit seiner Rückkehr in den Dienst nicht gesehen hatte. Er war ein wenig blass gewesen, ja, aber nichts hatte darauf hingedeutet, dass er sich nicht wohl fühlte, ansonsten hatte er seine alte Überschwänglichkeit an den Tag gelegt. Jetzt schien er vor Sorgen gebeugt und um ein ganzes Jahrzehnt älter.
    »Also, was hältst du davon, Shirl?«, fragte er.
    Sie hasste es, wenn man sie Shirl nannte, ihr lag nichts an dem Namen, sie freute sich, einfach nur als Novello angesprochen zu werden, was eine Neutralität aufwies, die zu ihrer Arbeitskleidung passte. Wenn Bowler, was selten genug vorkam, jetzt ihren Vornamen benutzte, zeugte das nicht von Herablassung, sondern von seinem Wunsch nach Unterstützung.
    »Nicht viel, und ich bezweifle, sie werden da auch nicht viel rausholen können, nicht wenn ihnen nicht noch was anderes in die Hände fällt, ein paar gute Zitate von dir oder von Rye zum Beispiel«, sagte sie ermutigend. »Also pass auf!«
    »Worauf du dich verlassen kannst«, erwiderte er und stand auf. »Muss zurück in die Mühle. Wir sehen uns dann oben.«
    Sie sah ihm nach. Sie brachte Hat keine besonderen Gefühle entgegen, aber er hatte etwas an sich, eine Leichtigkeit, eine Ausgelassenheit, der schwer zu widerstehen war. Sie war alles andere als glücklich darüber, wenn sie daran mitwirkte, das zunichte zu machen. Sie hoffte, sie hatte die wahrscheinliche Vorgehensweise der Presse richtig dargestellt, hegte da jedoch ihre Zweifel. Wenn, wie Dalziel argwöhnte, eine der Zeitungen bereits einen Journalisten darauf angesetzt hatte, würde das Blatt die Sache nicht fallen lassen, ohne vorher einen Artikel zu veröffentlichen, der eine Menge Schlamm aufwühlen würde. Material dafür gab es jetzt schon genug, obwohl sie mit ihrem Auftrag, des Teufels Advokat zu spielen, kaum begonnen hatte. Aber das war natürlich nicht alles, was Bowler beunruhigen könnte. Er war Polizist, und sie bezweifelte, ob sie ihm eine Frage gestellt hatte, die er sich nicht selbst bereits gestellt hatte. Sie hoffte nur bei Gott, dass er so viel Grips besaß, Rye nicht danach zu fragen. Sie kannte die Frau kaum, hielt sie für einen interessanten Menschen und war überzeugt, dass da noch wesentlich mehr schlummerte, als auf den ersten Blick ersichtlich war. Wenn dazu gehörte, dass sie sich für ihren Bibliothekschef entblättert hatte, dann war das ihre Sache, und Hat wäre gut beraten, es nicht zu seiner zu machen.
    Aber wenn das als Zeitungsschlagzeile erschien, musste man einiges an Willenskraft aufbringen, um seinen Mund zu halten, mehr jedenfalls, als sie ihm zutraute.

7. Brief, erhalten: Montag, 31. Dez., per Post
    Fichtenburg am Blutensee
    Aargau
Mittwoch, 26. Dezember
    Mein lieber Mr. Pascoe,
     
    haben Sie ein schönes Weihnachten verbracht? Meines war so wunderbar, dass ich erst jetzt die Zeit oder Energie aufbringen kann, mich hinzusetzen und Ihnen zu schreiben. Vielleicht wäre es Ihnen lieber, wenn ich Sie nicht belästige? Ich hoffe nicht, aber wie auch immer, es liegt nicht mehr in meinem Ermessen, ob ich Ihnen schreibe oder nicht. In China sagt man, rettet man jemandem das Leben, übernehme man damit die Verantwortung für ihn. Indem Sie mich ins Syke schickten, haben Sie mir in gewisser Weise das Leben gerettet, und nun bekommen Sie die Rechnung dafür präsentiert.
    Als ich Ihnen das letzte Mal schrieb, war ich auf dem Weg nach Zürich.
    Mein Gott, was für eine wundervolle Stadt! Man kann das Geld förmlich riechen! Ich weiß, jemanden wie Sie, der so unmaterialistisch denkt, dürfte das kaum interessieren, weshalb ich mich beeile, von Dingen zu reden, die eher nach Ihrem Geschmack sind, wie Kunst, Geschichte und die Suche nach der Wahrheit.
    Was das Aufspüren neuen Materials anbelangt, war mein kurzer Aufenthalt dort so unproduktiv wie vorhergesehen. Ich hätte schon so viel Glück wie die drei Prinzen von Serendip gebraucht, wenn ich auf dem von Sam und Albacore sorgfältig abgegrasten Terrain noch etwas Neues hätte finden

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