Die Launen des Todes
die Trine.«
Wenn Wields Gesichtszüge Grauen zum Ausdruck hätten bringen können, wäre das nun der Fall gewesen.
Er sagte: »Du meinst die Trine? Das Fumarole? Den Club? Im Estotiland?«
»Wie immer hast du in jeder Hinsicht Recht. Die Trine, den Nachtclub.«
Wield wollte es noch immer nicht glauben. Digweed war noch weniger eine Nachteule als er. In seinem Fall hatte es viel mit berufsbedingter Diskretion zu tun. Bei Digweed allerdings handelte es sich um einen tief verwurzelten Widerwillen. Und unter allen in Frage kommenden Clubs hätte Wield die Trine für denjenigen gehalten, in dem sich sein Lebensgefährte am wenigsten hätte sehen lassen wollen. Keiner wusste, ob die Estoti-Brüder das Lokal von Anfang an als Gay-Club konzipiert hatten. Doch schon wenige Wochen nach der Eröffnung im Estotiland war aus dem Fumarole die Fummeltrine, schließlich die Trine geworden, und die Geschäftsführung schien es darauf anzulegen, das Lokal als Parodie dessen zu gestalten, wie sich Heteros einen Schwulenclub vorstellten. All das wusste Wield von den Erzählungen anderer. Wenn er dem Lokal einen Besuch abstatten sollte, dann, nahm er an, vermutlich aus dienstlichen Gründen. Selbst in seinen wildesten Fantasien hatte er sich nicht vorstellen können, dass er und Edwin dort privat aufkreuzten.
»Bist du dir sicher, dass das eine gute Idee ist?«, sagte er vorsichtig. »Es ist ein Nachtclub, ja, aber vielleicht nicht das, was du dir darunter vorstellst.«
»Und was wäre das bitte? Schummerbeleuchtung, Smokings, ein Streichterzett zum Tanzen und vielleicht ein wenig kabarettistische Unterhaltung? Ich darf dir versichern, ich bin vollkommen
au fait
mit den modernen Trends.«
»Wenn das so ist, warum dann …?«
»Mein guter Freund Wim Leenders feiert dort seinen fünfzigsten Geburtstag, er will, dass ich komme, und außerdem hat er gesagt, dass ich schon viel zu lang dein Licht unter meinen Scheffel stelle, weshalb er darauf besteht, dass ich dich mitbringe. Und hätte er nicht darauf bestanden, hätte ich es trotzdem getan, weil, wie du dir vorstellen kannst, ich ohne deinen moralischen Beistand nicht dazu in der Lage bin, so ein Lokal zu betreten.«
Das war nicht nur ein nett formuliertes Kompliment, sondern erklärte auch alles.
Wield hatte, seit sie zusammen waren, mehrere von Digweeds Freunden kennen gelernt. Die meisten mochte er, im Allgemeinen schienen sie ihn ebenfalls zu mögen, allerdings hatte er es vermieden, ein zu enges Verhältnis zu ihnen aufzubauen. Wie viele seiner heterosexuellen Kollegen hatte Wield im Lauf der Jahre gelernt, sich seine Freunde außerhalb der Polizei sehr sorgfältig auszusuchen. Er hatte Digweed gegenüber diese Zurückhaltung freimütig zum Ausdruck gebracht, er wollte nicht in einen ganz neuen Bekanntenkreis hineingezogen werden, weshalb sie sich mit den Kumpeln seines Lebensgefährten gewöhnlich einzeln oder in Paaren trafen.
Wim Leenders war ein zwei Meter großer, hundert Kilo schwerer Holländer mit einem wie von einem Meißel gehauenen Vollbart, der zwanzig Jahre zuvor nach England gezogen war, weil er ein Faible fürs Bergwandern und Felsenklettern hatte. Er sammelte alte Bücher über das Thema, worüber Digweed ihn kennen gelernt hatte. Er schien wesentlich mehr Geld zu haben, als seine Outdoor-Läden allem Anschein nach abwerfen konnten, eine sorgfältige Überprüfung durch Wield (den es mit Scham erfüllte, wenn er daran zurückdachte) hatte allerdings nicht die kleinste Unregelmäßigkeit ergeben. Meistens, als würde ihn seine körperlichen Präsenz selbst irritieren, gab er sich als sehr stiller, manierlicher, sanft-bescheidener, höflicher Kumpel, doch wenn er einmal aus sich herausging, dann war er ein außer Kontrolle geratener Schwerlastzug. Wield hatte diese Seite an ihm einmal bei einer Totenwache erlebt. Wie dies an seinem fünfzigsten Geburtstag werden würde, daran wagte er gar nicht zu denken. Dass er sich dazu die Trine ausgesucht hatte, musste unter dem Gesichtspunkt der Schadensbegrenzung gesehen werden, was wiederum für seine Vernunft sprach. Trotzdem verstand Wield nicht ganz, warum Edwin, als er die Einladung erhielt, nicht einfach eine Entschuldigung vorgebracht hatte.
Daher und weil er für uneingeschränkte Offenheit in der Beziehung eintrat, fragte er ihn direkt danach.
»Wim«, sagte Digweed, »hat mir vor ein paar Jahren, lange bevor ich dich kennen lernte, aus einer ziemlich vertrackten Situation geholfen. Natürlich war meine
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