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Die Launen des Todes

Die Launen des Todes

Titel: Die Launen des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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zusammentraf.
    Ich machte alles mit, besuchte die Partys, schüttelte Hände, sagte meine Sprüchlein auf und nickte an den richtigen Stellen. Mehr Vergnügen aber bereitete mir das Zusammensein mit den Studenten. Wie widerstrebend nur geben wir zu, dass wir alle von der Jugend Abschied nehmen! Mit welch kleinen Schritten und innig verweilenden, rückwärts gerichteten Blicken schreiten wir doch voran! Wenn man dann die Wahrheit in Byrons Zeilen versteht ›Kein Glück ist, das die Welt uns gibt, dem gleich,/das sie uns nimmt‹, dann weiß man, dass man mit dem langen Abschied begonnen hat. In Gegenwart dieser Kids fühlte ich mich an die wenigen Tage in Fichtenburg erinnert, an denen ich mit Zazie, Hildi und Mouse Schlittschuh lief, rodelte, süßen Kaffee trank und Sahnetorten aß, Freuden ohne Verantwortung, Zeit ohne Grenzen, eine Welt ohne Ende. Vielleicht liegt es an der grausamen Plötzlichkeit, mit der meine eigene Studentenzeit Schiffbruch erlitt (ja, ja, meine eigene Schuld, ich nehme Ihnen nichts übel, ich mache Ihnen keine Vorwürfe!), weshalb ich mich so verzweifelt an diese Strohhalme klammere, die das Wrack nun umspülen. Haben Sie jemals dieses Gefühl verspürt, Mr. Pascoe? Sie dürften solchen unreifen Empfindungen weit enthoben sein, ich weiß, aber gab es eine Zeit, vielleicht sogar nach Ihrer Heirat, als Ihre liebenswürdige Tochter kaum mehr war als eine Stimme mit Appetit im Strampelanzug, als Sie sich danach sehnten, wieder achtzehn, neunzehn, zwanzig zu sein, als kein einziges Ihrer jetzigen Besitztümer den Verlust jener grenzenlosen Horizonte, der unergründlichen Lust wert gewesen zu sein schien? Oder vielleicht sogar noch später, als Ihre kleine Tochter schwer krank darniederlag oder Ihre geliebte Frau bedroht wurde; kam Ihnen da nie in den Sinn, dass Sie dem Glück diese Geiseln nie hätten stellen wollen, wäre Ihnen bewusst gewesen, was Sie erwartete?
    Wahrscheinlich nicht. Sie sind nicht wie ich, schwach und der Welt verhaftet, obwohl ich glaube, dass wir uns in manchen Dingen sehr ähnlich sind. Und noch ähnlicher werden, wie ich hoffe und worum ich bete.
    Jedenfalls traf ich, wie gesagt, mit jungen Menschen zusammen und fühlte mich in ihrer Gegenwart wieder jung. Es gehört vermutlich zu den immer wieder durch alle Zeiten hindurch verbreiteten Gerüchten, dass amerikanische Studenten weniger wissen als europäische; wahr aber ist sicherlich, dass sie eifrig bemüht sind, mehr zu erfahren! Sie schluckten alles, was ich ihnen über Beddoes auftischte, und als ich fortfuhr, ihnen vom Third Thought zu erzählen (denn es fiel mir leicht, von Beddoes’ Todesobsession auf meinen Umgang mit diesem Thema überzuleiten), schluckten sie auch das! Man weiß hier nichts von dieser Bewegung, Frère Jacques’ Buch hat anscheinend noch keinen amerikanischen Verleger gefunden. Ich vermute, in Amerika im Allgemeinen und in Kalifornien im Besonderen gibt es so viele hausgemachte mystische, metaphysische, quasi-religiöse Trends und Sekten samt Anhängern, dass keiner das Bedürfnis verspürt, fremde importieren zu müssen! Diese Bewegung aber kam wirklich an, vielleicht deshalb, weil ich sie mit wahrhaft amerikanischen Slogans präsentierte wie: Lebe mit dem Tod und sei danach für immer glücklich! Bald darauf hielten wir regelmäßige Treffen ab, die jedes Mal (meine Idee!) mit dem Chor »Oh, welches Glück« aus
Acis und Galatea
eingeleitet wurden. (Es sind natürlich amouröse Verse, doch unterstreicht dies nur die Beziehung zum Tod, auf die der Third Thought abzielt. Und wie passend auch, wenn meine Vermutungen zu Jacques richtig sein sollten!) Dann las ich eine Passage aus meinem Exemplar von Jacques’ Buch, und es dauerte nicht lange, bis fotokopierte Auszüge verteilt wurden wie
samisdat
-Literatur weiland in der Sowjetunion. Dabei wurde mir bewusst, dass es (trotz aller Technologie, mit der wir alles Mögliche tun können) keinen Ersatz gibt für den unmittelbaren persönlichen Kontakt. Bald darauf verbreitete sich auf dem Campus die Kunde von uns, unterstützt von der Begrüßung der Initiierten –
einen schönen Tod noch!
(Was ebenfalls auf mich zurückgeht, obwohl ich gestehen muss, dass Beddoes’ Scherz, Champagner aufzuheben, um »seinen Tod damit zu begießen«, daran keinen geringen Anteil hatte.)
    Ein Spin-off dessen war, dass den Verlagsleuten bereits Gerüchte über den Third Thought zu Ohren gekommen waren, als ich mich schließlich bei ihnen vorstellte, und sie an

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