Die Launen des Todes
Dalziels implizites Eingeständnis, dass er hier Hilfe und vielleicht auch Trost brauchte, Pascoe als noch rührender erschien.
Aber nicht, dass dies alles auch nur annähernd angedeutet wurde.
»Das war’s also«, grummelte er abschließend. »Was hältst du davon, Klugscheißer?«
»Vergiss es«, sagte Pascoe.
»Was?«
»Das ist die Antwort des Klugscheißers. Mach dich drauf gefasst, Bowlers Einzelteile einzusammeln und zusammenzusetzen, wenn Rye stirbt. Aber bis dahin kannst du die Sache vergessen. Wenn es so weit ist, wird noch genug Trauerarbeit zu leisten sein. Warum also schon vorher damit anfangen?«
Die Seiten waren vertauscht, stellte er fest. Nun bin ich der Pragmatiker, der sich auf die nackten Fakten stützt, während er mit Zweifeln und vielleicht sogar mit seinem Gewissen ringt!
Aber er wusste, womit Dalziel wirklich rang, war es doch das, was sie trotz aller Gegensätze vereinte – das Bedürfnis, die Wahrheit zu erfahren.
»Außer …«, sagte er.
»Hätte mir denken können, dass es noch ein ›Außer‹ gibt«, sagte Dalziel.
»Außer, dass es uns nichts nützt, wenn wir es vergessen, solange es all die anderen nicht auch vergessen. Diese Frau, Rogers/Richter, welchen Eindruck hat sie auf dich gemacht?«
»Hat nette Titten«, sinnierte Dalziel.
Pascoe widerstand dem Köder. »Du glaubst, sie lässt die Sache fallen?«
»Aye. Nicht ihre Kragenweite. Und sie mag Pomona und hat ein schlechtes Gewissen. Plus die feministische Solidarität, Sisters, Sisters … gibt’s da nicht irgendein Lied?«
Aus Angst, Dalziel könnte jeden Moment in schmetternden Gesang ausbrechen, fuhr Pascoe eilig fort.
»Dann hak sie ab. Charley Penn?«
»Charley wird nie den Mund halten. Aber er ist wie eine Uhr. Man nimmt ihn erst wahr, wenn er aufhört zu ticken.«
»Bleibt noch der zweite Lauscher. Die zweite Wanze, du weißt doch? Wo war die noch mal versteckt?«
»Im Schlafzimmer, hinter dem Kopfbrett. Ich hab’s mir angesehen, bevor ich das Church View verlassen habe. Nach allem, was Lilley Richter erzählt hat, verfügte sie über eine eigene Energiequelle, wurde durch Stimmen aktiviert, Reichweite etwa fünfzig Meter, und nach vierzehn Tagen war wahrscheinlich der Saft alle. Der Kerl konnte also in einem Auto, das in der Peg Lane geparkt war, zuhören. Oder, wenn er nicht die ganze Nacht herumhängen wollte, hätte er irgendwo ein auf die Frequenz eingestelltes Aufnahmegerät ablegen können. Gleich gegenüber liegt der Friedhof von St. Margaret, dort gibt’s viele nette überwachsene Grabsteine, unter denen man was verstecken könnte. Ich hab mich da mal umgesehen, aber nichts gefunden. Was ist los mit dir?«
Pascoe war aufgesprungen und hatte sich von der zwischen ihnen liegenden Schreibtischplatte das Telefon gegriffen.
Er wählte, lauschte, sagte: »Hallo, hier ist Chief Inspector Pascoe. Ich muss mit Dr. Pottle sprechen. Ja, dringende Polizeiangelegenheit. Oder eine medizinische Angelegenheit, was immer ihn ans Telefon bringt.«
Pause, dann begann Pascoe erneut zu sprechen. »Ja, tut mir Leid, es wird zur Angewohnheit, was? Hören Sie zu, ich will nur Haseens Handy-Nummer. Nein, ich werde ihr nicht sagen, woher ich sie habe.«
Er kritzelte sie auf die Schreibtischunterlage und wählte erneut.
»Ms. Haseen, hallo, hier ist DCI Pascoe, wir haben uns am Samstag in Sheffield gesehen. Tut mir Leid, dass ich Sie noch mal störe, aber Sie haben da was gesagt, als wir uns über Franny Roote unterhalten haben …«
Dalziel stöhnte, rollte mit den Augen und zog seine »Wie lang noch, o Herr, wie lange«-Nummer ab.
»Nein«, sagte Pascoe. »Nichts Persönliches oder Privates. Es geht nur darum, Sie sagten, als er Johnsons Vortrag über das Lachen in
Death’s Jest-Book
hielt, war es das kaum wert, dass er Ihnen deswegen das Mittagessen versaute. Im Konferenzprogramm aber war Roote am Samstagmorgen um neun Uhr morgens vorgesehen … ja … ja … wunderbar. Eine große Hilfe. Vielen Dank, und, nochmals, entschuldigen Sie die Störung.«
Er legte den Hörer auf und wandte sich triumphierend an Dalziel. Der sagte: »Erzähl es mir nicht. Du hast eine Möglichkeit gefunden, Roote mit hineinzuziehen. Mein Gott, Pete, das nächste Mal sagst du mir, dass er Jack the Ripper war, aber erst, nachdem er die Prinzen im Tower umgebracht hat.«
»Sein für neun Uhr vorgesehener Vortrag war auf seine Bitte hin verlegt worden. Er hatte am Abend zuvor unter fürchterlichen Zahnschmerzen gelitten und
Weitere Kostenlose Bücher