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Die Launen des Todes

Die Launen des Todes

Titel: Die Launen des Todes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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diese alle in die funkelnde Stadt führt.
    »Was für ein Scheiß«, bemerkte Andy Dalziel von der Wohnzimmertür aus.
    »Andy. Hab dich gar nicht kommen hören.«
    »Kein Wunder bei der Lautstärke. Bekomm ich einen Kuss, oder verpasst du dabei deine Lieblingswerbung?«
    Er beugte sich über das Sofa und drückte Cap Marvell einen Schmatz auf die Lippen, den eine weniger zugeneigte, weniger unverwüstliche Empfängerin als einen veritablen Hieb empfunden hätte.
    Die Werbeunterbrechung wurde beendet, eingeblendet wurde der Moderator des Frühabendprogramms von Ebor TV , der fast bis zur Schulter in einem sehr, sehr weichen Armsessel versank.
    »Hier sind wir wieder«, sagte er. »Und ich darf Sie daran erinnern, dass unser heutiger Gast ein wahres Multitalent ist, es ist der Anwalt, Initiator zahlreicher Wohltätigkeitsveranstaltungen und Historiker Marcus Belchamber.«
    Die Kamera zeigte einen Mann im besten Mannesalter. Er trug ein makellos geschnittenes Dinnerjacket und saß wie der Moderator in einem tiefen Sessel, ohne dass bei ihm die Gefahr bestand, dass ihm seine aufrechte Haltung oder sein konzentrierter Gesichtsausdruck abhanden kommen könnte. Er hatte graue Augen, einen festen Blick, der Kopf entsprach der Idealform eines römischen Senatorenhauptes, darauf grau melierte Locken, eine perfekte Frisur, als wäre sie wirklich vom Meißel des Maestro höchstselbst hindrapiert worden und nicht den Fertigkeiten eines Friseurs zu verdanken. Kurz: ein Gentleman, dem man absolut vertrauen konnte.
    Dalziel presste einen Furzlaut durch die Lippen.
    »Was dagegen, Liebling, wenn ich mir das ansehe?«, sagte Cap.
    »Ich hol uns einen Drink«, sagte der Dicke und stapfte in Richtung Küche.
    Er und Cap Marvell wohnten nicht zusammen. Ab einem bestimmten Reifegrad ihrer Beziehung hatten sie jedoch die Schlüssel ausgetauscht, und zu den Freuden der Heimkehr gehörte für Dalziel nun auch die Möglichkeit, dass das Licht brannte, im Kamin ein Feuer flackerte und Cap auf seinem Sofa saß oder in seinem Bett schlief. Sie versicherte ihm, dass sie dieselben Gefühle hege. Das Privileg, ihre Wohnung zu betreten, übte er allerdings mit großer Umsicht aus, nachdem er eines Tages vom Schrei einer durchreisenden und als Gast im Haus weilenden Nonne geweckt wurde, als er splitterfasernackt auf dem Läufer vor dem Kamin genächtigt hatte.
    Aus dem Wohnzimmer ertönte die Stimme des Moderators.
    »Bevor wir uns, Marcus, über den Weihnachtsfonds für benachteiligte Kinder unterhalten, dem Sie dieses Jahr vorstehen, möchte ich kurz mit Ihnen über etwas reden, was auf Ihre Initiative hin in den nächsten Wochen Kindern sowie Erwachsenen zugänglich sein wird. Denn nun ist es möglich, für viele von uns wohl zum letzten Mal, den Elsecar-Schatz zu sehen. Allen, die es noch nicht wissen, möchte ich sagen, dass Marcus neben seinen vielen anderen Tätigkeiten auch Präsident der Archäologischen Gesellschaft von Mid-Yorkshire ist und landesweit, wenn nicht sogar international, als einer der angesehensten Experten über Yorkshire unter der römischen Besatzung gilt.«
    »Sie sind zu liebenswürdig«, antwortete Belchamber mit seinem tiefen Timbre, das manche nicht unschmeichelhaft mit der Stimme des verstorbenen Richard Burton verglichen hatten.
    »Vielleicht sollten Sie uns ein wenig über die Hintergründe erzählen – falls es in der Grafschaft noch irgendjemanden geben sollte, der mit dieser Geschichte nicht vertraut ist.«
    »Gewiss. Der Elsecar-Schatz ist wahrscheinlich der historisch wertvollste Schatz in Yorkshire, streng genommen allerdings – und darin liegt der Kern des Problems, das vor etwa einem Jahr auftauchte – gehört er nicht Yorkshire, sondern der Familie Elsecar. Der erste Baron Elsecar eroberte sich gegen Ende des Rosenkrieges in der Grafschaft eine gewisse Machtstellung. In den nächsten drei Jahrhunderten gelangte die Familie zu Ansehen und Reichtum, aufgrund ihrer von Haus aus gepflegten konservativen Einstellung in Bezug auf wirtschaftliche Dinge traf sie die industrielle Revolution allerdings völlig unvorbereitet. Noch zu Zeiten Viktorias hatten sie ziemlich zu kämpfen. Der größte Teil ihres Landbesitzes, der, wie sich später herausstellte, reich war an Mineralien und Kohlevorkommen, musste zu niedrigen landwirtschaftlichen Bodenpreisen verkauft werden, um die Schulden zu bezahlen.
    1872, als der achte Baron einen morastigen Abschnitt seiner wenigen noch verbliebenen Ländereien trockenlegen

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